In vielen Städten gehen heute Menschen auf die Straßen, um für die Freilassung der politischen Gefangenen zu demonstrieren. Der 18. März hat eine lange Tradition in der revolutionären Arbeiter_innenbewegung als Kampftag für die Freilassung aller politischen Gefangenen.
Wer also (wie auch Hanna) so privilegiert ist, dass er/sie es sich herausnehmen kann, sich um politische Außenwirkung zu kümmern, soll freigelassen werden. Damit geht leider oft unterschwellig oder auch ganz offen die Forderung einher, alle anderen Gefangenen weggesperrt zu lassen.
Oft erreichen uns Aussagen, wie „die Anderen gehören doch hinter Gitter“. Diese Ansicht verkürzt und verzerrt unser Anliegen. Wir wollen nicht nur Freiheit für Hanna und die sog. politischen Gefangenen – wir wollen Freiheit für alle Gefangenen! „Knäste zu Pommesbuden“ schrieb Hanna am Tag ihrer Inhaftierung auf den Asphalt vor der JVA. Gefängnisse werden nicht dadurch besser oder legitimer, dass den „richtigen Menschen“ ihre Freiheit genommen wird. Justitz und Strafe dienen der Aufrechterhaltung einer herrschenden Ordnung mittels Gewalt und Abschreckung, nicht den Menschen.
Dies vermag zu verstehen, wer sich die Paragraphen des Strafgesetzbuches anschaut. Von den 339 dort aufgeführten Paragraphen sollen gerademal 46, also keine 14%, die Menschen vor Gewalttaten und Eingriffen in ihre Freiheit schützen. 236 Paragraphen, also beinahe 70% schützen explizit den Staat, Eigentum und die öffentliche Ordnung. Die restlichen knappen 17% sind nicht klar zuzuordnen. Die meisten Menschen sitzen also nicht im Gefängnis, um die Gesellschaft vor Gewalttätern zu schützen. Es geht vielmehr um die Aufrechterhaltung des Systems. Der Rechtswissenschaftler Christoph Möllers sagte dazu: „Eigentum haben kann man ja nicht ohne eine Rechtsordnung. Und auch ein Markt existiert nicht ohne Recht.“
Bei der Gruppe der Menschen, die wegen Gewalttaten inhaftiert sind, lohnt es sich, zuallererst auf deren Entstehung zu schauen: Die meisten Gewalttaten entstehen als Antwort auf ein hierarchisches Umfeld. So läuft derzeit ein prominent gewordener Prozess in Rosenheim, in dem einer Familie vorgeworfen wird, sich gegen einen Polizeiübergriff gewehrt zu haben. Hier ist also, selbst für den Fall, dass der Vorwurf stimmt, von einer Reaktion auf Gewalt auszugehen.
Die meisten Vergewaltigungs- und Mordfälle geschehen im nahen Bekanntenumfeld. Die Täter_innen sind also nicht im dunklen Wald wartende geifernde Verrückte, sondern werden vielmehr als auffällig unauffällige „normale“ Menschen beschrieben. Diese werden nachweislich nicht durch hohe Strafandrohung von ihren zweifellos nicht hinnehmbaren Taten abgehalten. Auch geht es bei der Strafe nicht um’s Opfer: In einem Vergewaltigungsprozess war die Aussage des Richters, das, was M. getan hat, „muss sich die Gesellschaft nicht gefallen lassen“ bezeichnend. Auch die Aussage bzgl. des Mörders von Lennon, er müsse auch nach 28 Jahren weiter im Gefängnis bleiben. Die Richter bescheinigen dem Gefangenen zwar gute Führung. Angesichts der Schwere der Tat würde seine Freilassung jedoch den Respekt vor dem Gesetz unterminieren, zeigt klar: Es geht nicht um’s Opfer, es geht nicht um den Täter, es geht auch hier um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf Kosten von Täter und Opfer – welches Vergewaltigungsopfer hat schon Freude daran, vor Gericht öffentlich jede Kleinigkeit schildern zu müssen?
Bleibt also das Vollzugsziel der Resozialisation. Angesichts der vielen Fälle, in denen mit Haftstrafen belegte Menschen anschließend Gewalttaten begehen, egal, ob sie zuvor wegen Gewalt- oder sonstigen Taten bestraft wurden, aber auch angesichts des Knastalltags sollte klar werden: Durch Strafen werden Menschen nicht besser gemacht. Dies zeigt schon eine Studie, die 2004 vom Justizministerium veröffentlicht wurde. In der es heisst, dass Menschen, die hart bestraft werden, eine höherer Rückfallstatistik aufweisen, als Menschen, die milder bestraft werden. Die verbreitete Logik bei der Aburteilung ist, dass Geständnisse und Reue die Strafe mildern. Das heißt umgekehrt, dass mit einer höheren Bestrafung rechnen muss, wer dem Gericht widerspricht und sich z.B. weiter für unschuldig hält. Damit werden systematisch Duckmäuser produziert. Rückgrat wird bestraft, Unterwerfung belohnt – eine Abrichtung wie bei Hunden. Einer freien Gesellschaft steht dies krass entgegen.
Ziel einer emanzipatorischen Bewegung sollte also die Abschaffung aller Knäste sein, nicht nur die Freilassung einzelner Gefangener! Solidarität mit allen Gefangenen!
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