Besuch bei Jan-Patrick

Am Freitag war Besuchszeit in Storkow (dort wurde Jan-Patrick aus Strausberg verlegt). Zwei Freunde des Totalverweigeres haben diese Zeit genutzt und uns untenstehenden Bericht, inklusive eines Interviews
zukommen lassen.
Zu mindest hat Jan-Patrick die Bücher, die ihm ja kurzzeitig entzogen wurden, zum Teil wieder bekommen.
Am 13.10 wird er in Storkow entlassen. Wir gehen davon aus, dass er dann aber gleich wieder in den Arrest wandert.

Ergänzung: Am 25.10 findet in Eckernförde ein Solikonzert statt! Flyer ist am Ende vom Posting.

Besuch beim TKDV Jan-Patrick

Wir besuchten heute, am 10.10.08, unseren Freund und Genossen Jan-Patrick, der (mittlerweile) in Storkow im Militärarrest sitzt.

Jan-Patrick wurde am 07.10 aus Strausberg nach Storkow (etwa 50 km von Berlin entfernt) verlegt. Wieso er nun in der Kurmark Kaserne seinen Arrest wegen seiner Befehlsverweigerung absitzt wurde ihm nicht erläutert. Auch sein Anwalt hat auf Nachfrage keine Begründung bekommen. Jedoch geht er, die Soligruppe und wir davon aus, dass es aus Gründen der Solidaritätsbekundungen in Strausberg so ist, um ihn zu isolieren und ihn zu bestrafen.
Solidarität hier zu bekunden ist dadurch erschwert, dass Storkow nicht so leicht aus Berlin mit S- oder U- Bahn zu erreichen ist wie Strausberg. Außerdem ist ihm der Postzugang dadurch erschwert – er bekommt die Post nicht täglich. Wir sehen diese Islorierungsmaßnahme als Schikane an und fordern, dass Jan Patrick sofort alle Solidarität erfährt, die ihm Menschen von außen geben wollen !!!

Eine Stunde in Storkow…

Nachdem wir in Storkow angekommen waren und die Kaserne gefunden hatten, wurden unsere Personalien von den wachhabenden Soldaten eingezogen und unsere Ausweise einbehalten.
Nach einer kurzen Kontrolle der Sachen, die wir für Jan- Patrick besorgt hatten – Naschen, Bücher,Zeitschriften – wurde uns erlaubt mit allen Sachen zu ihm zu gehen; das Gespräch musste aber mit offener Tür geführt werden und die Wachen warfen immer wieder ein Blick in den Raum. Es war eine Arrestzelle wie die von Jan- Patrick: etwa 7-8 qm groß, ein Bett, ein Tisch, zwei Fenster mit Milchglas, drei Stühle und eine Toilette befinden sich in dem Raum.
Nachdem wir ihm begrüßt hatten und langsam ins Gespräch kamen, erschien ein Soldat und forderte, dass zwei der drei Bücher von uns wieder zurückgenommen werden. Eine Begründung dafür gab es allerdings nicht, jedoch schienen die Titel das ausschlaggebende Element zu sein, „die seien links“, äußerte der Soldat noch. Bei den Büchern handelt es sich um „Die Kritik der politischen Ökonomie“ (Michael Heinrich) und „Wir sind die Guten – Antisemitismus in der radikalen Linken“(Irit Neinhardt & Willi Bischof). Eine linke Monatszeitschrift durfte er jedoch behalten, dass „ist mir egal, Hauptsache keine Bücher“(Zitat Soldat). Schlussendlich haben wir die beiden Bücher wieder eingepackt, und ihm ein Kurzgeschichtenband da gelassen. Nun konnten wir ungestört unser Gespräch weiter fortsetzen; wir führten ein kleines Interview mit ihm, damit Jan-Patrick in eigenen Worten Beschreiben kann, wie es ihm mit seinem Arrest geht.

Interview mit Jan-Patrick

Wie geht es dir ?

Soweit geht es mir gut ! Die Zeit vergeht auch zur Zeit noch relativ schnell, allerdings ist es doch auch recht langweilig hier.

Ja, das können wir uns vorstellen, du bist ja 23 Stunden in der Zelle; was machst du da die ganze Zeit ?

Also ich habe einen Tagesplan, an dem ich mich orientieren kann, der sieht in etwa so aus: von 6.00-7.00 Uhr ist Frühstück, danach muss ich zurück in die Zelle und hab bis Mittags Zeit zu lernen, d.h. Ich darf einen Ordner mir angucken, wo irgendwelche Gefechtsübungen und Bundeswehrabzeichen beschrieben sind. Ich soll pro Tag ein Kapitel dieses Ordner lernen, allerdings mache ich das nicht.
Nachdem Mittagessen muss ich wieder zurück in die Zelle und soll weiter „lernen“. Nachmittags habe ich dann eine Stunde Hofgang. Ich werde dann von einer Wache spazieren geführt. Allerdings kenne ich das Gelände bereits nach zwei Tagen auswendig.
Zwischen 17.30 und 20.00 Uhr habe ich dann Freizeit, ich darf dann an meine Sachen, wie z.B. Bücher etc. ran, bis jetzt gab es aber auch kein Problem, wenn ich anstelle des Bundeswehr- Ordners ein Buch las. So sieht mein „Dienstplan“ aus.

Wie ist der Umgang mit den Wachsoldaten und den anderen Soldaten ?

Also die Wachen behandeln mich so freundlich wie es sie eben sein können. Sie fragen öfter nach, ob ich rauchen möchte, bei den Hofgängen kann ich auch mal das Ziel bestimmen und denen, die es wissen wollen, erkläre ich auch, wieso ich Totalverweiger bin.

…und die Reaktion ?

Die meisten nehmen es einfach so hin. Der Kantinenkoch meinte einfach nur „Ach, das Übliche also.“

Und schmeckt die Bundeswehr- Kost ?

Ja, es gibt extra ein vegetarisches Gericht für mich; am dritten Tag probierte der Koch ein ganzes vegetarisches Menü für alle aus, es kam aber bei den anderen Soldaten nicht gut an, so dass ich immer eine einzelne Portion bekomme. Ich werde immer satt und Obst kann ich soviel haben wie ich möchte. Zum Essen werde ich immer von zwei Wachen begleitet wodurch das Kontakt herstellen mit anderen Soldaten – um ihnen z.B. die Totalverweigerung zu erklären – stark erschwert wird.

Mit Solidarität von Soldaten hast du ja wahrscheinlich eh kaum gerechnet; wie sieht es mit Solidarität von außen aus?

Ich bekomme öfter Post, bis jetzt etwa 15 Briefe, was mich natürlich freut, aber desto mehr desto besser! Jeden Brief den ich bekomme beantworte ich auch, denn jeder Brief nimmt mir die Zeit und die Beantwortung noch mehr !
Allerdings ist wahrscheinlich ein weiterer Grund für die Verlegung nach Storkow der erschwerte Zugang für mich zur Post. Die Briefe sind ja alle mit der Adresse in Strausberg versehen und so bekomme ich nur alle paar Tage Post, z.B. kamen heute erst die Briefe von Dienstag, und das nächste Mal bekomme ich erst Sonntag wieder Post. Es kann aber sein, dass ich ab Montag wieder in Strausberg sein werde, da mir dann wohl der nächste Arrest bevorsteht, da ich dann auch wieder jeden Befehl verweigern werde.

Viele Leute trauen sich nicht – jedenfalls unserer Auffassung nach – dir zu schreiben, weil sie denken, dass sie nicht das richtige schreiben. Wie stellst du dir so einen Briefkontakt vor ?

Also mir kann jede_r schreiben was er/sie möchte, sein es jetzt die letzten Urlaubserlebnisse, die Party im besetzten Haus oder sonstwas. Ich freue mich, wie gesagt über jeden Brief! Bis jetzt haben mir auch schon Leute geschrieben, die ich nicht persönlich kenne und es ist wirklich gut, von ihnen soviel Solidarität zu erfahren.

Was wünscht du dir was dir Leute schicken oder mitbringen ?

Naschen ist schon ziemlich gut! Ich mag einfach alles; ansonsten brauche ich nicht viel, habe noch einiges zu lesen und einige Bücher werden auch einfach wieder abgenommen.

Wie läuft dein Kontakt mit deinem Anwalt ?

Ich darf jederzeit mit meinem Anwalt telefonieren, jedoch wählen die Wachen die Nummer. Es läuft aber so, dass sie über die interne Nummer, die 88, eine Freischaltung für ein Gespräch nach draußen anfordern!

Ok, wie geht es nun bei dir weiter ?

Das weiß ich selber nicht so genau, aber es wird wohl so sein, dass ich Sonntag oder Montag meinen nächsten Befehl erhalten werde und dann nach erneuter Verweigerung vorläufig festgesetzt werde. Im Prinzip heißt das für mich, dass ich dann kein Arrest mehr habe, also keine Erziehungsmaßnahme mehr habe, sondern eine Disziplinarstrafe habe. Im konkreten Fall bedeutet das für mich, dass ich dann meine Zelle dann nicht mehr mit Gürtel und Schnürbändern betreten darf, da ich mich damit „suizidieren“ könnte.

Wie liefen die Befehlsverweigerungen denn bis jetzt ab?

Also die erste Verweigerung fand an meinem ersten Tag (01.10) bei der BW statt. Es gab den Befehl der Voreinkleidung, den ich verweigerte. Daraufhin wurde ich vorläufig festgenommen und musste zu einem Verhör, dass das der Polizei ersetzt. Im Gegensatz zum Verhör bei der Polizei herrscht Anwesenheitpflicht. Jedoch kann mensch auch hier die Aussage verweigern, was ich tat. Am 02.10 wurde ich beurlaubt, da das Truppendienstgericht Potsdam im Urlaub war und ich dadurch nicht mehr als 24 Stunden festgehalten werden konnte. Daraufhin konnte ich die Kaserne verlassen und kam einen Tag später zu Hause an.
Am 06.10 fuhr ich wieder nach Strausberg da meine Beurlaubung zu Ende war. Dort angekommen bekam ich den Befehl an der Ausbildung mit dem Zug teil zu nehmen. Ich verweigerte, wurde wieder vorläufig festgenommen und kam in die Arrestzelle in Strausberg. Dort wurden mir alle Gegenstände die gefährlich für mich sein könnten abgenommen, und auch meine Bücher wurden mir vorenthalten.
Zwei Stunden später wurde ich nach Storkow verlegt. Dort angekommen musste ich mich bis auf die Unterwäsche ausziehen und meine Kleidung wurde komplett gefilzt.
Nachdem alle Bücher kontrolliert wurden durfte ich einige mitnehmen, andere wurden einbehalten.
Am 08.10 wurde ich dann wegen der erneuten Befehlsverweigerung verhört, wieder verweigerte ich die Aussage. Heute morgen fand noch das Abschlussverhör statt, und wieder wollte ich nichts sagen.

Ok, danke für das Interview. Wir werden es dir zukommen lassen! Lass dich nicht unterkriegen Solidarität und Rotfront!

Hiermit nochmal solidarische Grüße an Jan- Patrick !!!

Immer dran denken : He is inside for us. We are outside for him!

 

Kommentare zum Artikel:

 

  • Otmar 15. Oktober 2008 um 13:31 Uhr

    Man Jungs von der Bundeswehr macht doch endlich mal was! Ihr seit nicht nur Soldaten, sondern Ihr seit auch Bürger (in Uniform)! Als Bürger (mit entsprechenden Fachwissen) erwarten wir von euch das Ihr endlich mal eure Meinung veröffentlicht.
    Ihr seit doch als Soldaten nur noch die Trottel der Politik die völlig schwachsinnige Befehle und Mandate durchsetzen sollen – egal ob es sich um die total überholte Wehrpflicht die euren Laden blockiert oder völlig bekloppte Afganistan-Einsätze handelt bei denen Ihr für nichts und wieder nichts den Arsch hinhaltet und noch viele ander Dinge die noch dazu kommen.
    Sagt endlich was! Ihr seit Bürger mit dem Recht und der Pflicht auf Misstände aufmerksam zu machen!
    Und was die TKDV angeht – diesen Trend könnt ihr nicht mehr aufhalten. heute ist es einer morgen sind es 5 oder 10. – Jeder der seine 9 Monate ordentlich ableistet und sich die TKDV-Verfahren der letzten Zeit ansieht muß sich verarscht vorkommen. 2-3 Monate BW-Bau, dann noch ein paar Sozialstunden, eventuell noch eine kleine Geldstrafe das wars. Da kann man jedem nur noch empfehelen total zu verweigern. An die BW: seht zu, das Ihr die TKDVs so schnell wie möglich mit einem Dienstverbot belegt und und aus der BW rausbekommt.
    Die Wehrpflicht ist in der derzeitigen Form nicht haltbar.

    Mfg Otmar Ganter

  • Andreas 21. Oktober 2008 um 17:11 Uhr

    Totalverweigerung ist ein Verbrechen, aber das ist eine Wehrpflicht, die den Grundsatz der Gleichbehandlung derart massiv verletzt auch. Man kann die jungen Leute nicht dazu aufrufen, total zu verweigern, da dies einer Anstiftung zu einer Straftat gleich käme, aber man kann Totalverweigerer dennoch bewundern und unterstützen. Im gegenwärtigen Umfeld sind sie die Helden von heute.

    Leider wird das Thema Wehrpflicht zu sehr ideologisiert. Man muss kein Linker sein, um gegen die Wehrpflicht zu sein und Totalverweigerer finden auch bei anderen politischen Gruppierungen Zustimmung und Verständnis.

    Gruß

    Andreas

  • Christian Mallas 22. Oktober 2008 um 10:53 Uhr

    Zur Aussage: „Totalverweigerung ist ein Verbrechen […]“

    Totalverweigerung ist laut Grundgesetz (Freiheit des Gewissens, Artikel 4 Absatz 1) legitim. Gesetze gegen Totalverweigerung sind folglich verfassungswidrig.

    Das übliche Verfahren der (partiellen) Kriegsdienstverweigerung und die damit zusammenhängenden Gesetze und Argumentationen beziehen sich ausdrücklich auf GG Artikel 4 Absatz 3: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. […]“. Außer acht gelassen wird dabei aber Artikel 4 Absatz 1 (Gewissensfreiheit), der auch ein Recht auf totale KDV impliziert.

    Er lautet: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“. D.h. insbesondere darf niemand zu einem Ersatzdienst („Zivildienst“) gezwungen werden, wenn dies gegen sein Gewissen verstößt. Diese Gewissensfreiheit wird nicht durch Art. 4 Abs. 3, Art. 12a Abs. 2 oder irgendeinen anderen Artikel in seinem Wesensgehalt angetastet. Das darf sie auch gar nicht (siehe Art. 19 Abs. 2).
    Art. 12 Abs. 2 besagt: „Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden.“ Es heißt ausdrücklich „kann“ und nicht „muss“, d.h. die Behörden sind nicht dazu verpflichtet, KDV zum „Zivildienst“ zu zwingen. Weiter heißt es: „Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muss, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.“. D.h. wenn jemand wie z.B. hier der TKDV Herr Ehlert den Ersatzdienst verweigert, weil ihm sein Gewissen ihn verbietet, darf er gar nicht dazu gezwungen werden. Gesetze, die TKDV trotzdem zum Militärdienst oder einem Ersatzdienst verpflichten, sind somit verfassungswidrig. Die Ablehnung der Wehrpflicht an sich, welche Jan-Patrick auch durch einen Ersatzdienst („Kriegsdienst ohne Waffe“) erfüllen würde, ist ein hinreichender Gewissensgrund. Und zwar nicht, weil dieser Gewissensgrund für mich oder für das Bundesamt für den Zivildienst als hinreichend erscheint, sondern weil er für den TKDV selbst als „Inhaber“ seines eigenen Gewissens hinreichend ist. Das Gewissen lässt sich nicht überprüfen, weil es ein subjektives Urteil bzw. Gefühl ist, welches sich nicht objektiv in die Kategorien „richtig“ und „falsch“ bzw. „hinreichend“ und „nicht hinreichend“ einordnen lässt.
    Der „Zivildienst“ steht im Widerspruch zu Art. 12a Abs. 2 Satz 3 sehr wohl im Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte. So können z.B. Zivildienstleistende im Verteidigungsfall zu Luftschutz, Feuerlöschtätigkeiten und der Versorgung der Streitkräfte eingesetzt werden. Ferner ist das Zivildienstgesetz zu großen Teilen identisch mit dem Wehrpflichtgesetz. Viele Begriffe haben darin lediglich andere Namen („Anordnung und Befolgung“ statt „Befehl und Gehorsam“, „Dienstflucht“ statt „Fahnenflucht“).
    Dieser Widerspruch könnte zwar theoretisch durch die Anerkennung eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder Freiwilligen Ökologischen Jahres als Zivildienstersatz umgangen werden. Diese Dienste stehen aber im Widerspruch zu Art. 12a Abs. 2 Satz 2 („Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen.“).

  • Christian Mallas 22. Oktober 2008 um 10:53 Uhr

    Zur Aussage: „Totalverweigerung ist ein Verbrechen […]“

    Totalverweigerung ist laut Grundgesetz (Freiheit des Gewissens, Artikel 4 Absatz 1) legitim. Gesetze gegen Totalverweigerung sind folglich verfassungswidrig.

    Das übliche Verfahren der (partiellen) Kriegsdienstverweigerung und die damit zusammenhängenden Gesetze und Argumentationen beziehen sich ausdrücklich auf GG Artikel 4 Absatz 3: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. […]“. Außer acht gelassen wird dabei aber Artikel 4 Absatz 1 (Gewissensfreiheit), der auch ein Recht auf totale KDV impliziert.

    Er lautet: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“. D.h. insbesondere darf niemand zu einem Ersatzdienst („Zivildienst“) gezwungen werden, wenn dies gegen sein Gewissen verstößt. Diese Gewissensfreiheit wird nicht durch Art. 4 Abs. 3, Art. 12a Abs. 2 oder irgendeinen anderen Artikel in seinem Wesensgehalt angetastet. Das darf sie auch gar nicht (siehe Art. 19 Abs. 2).
    Art. 12 Abs. 2 besagt: „Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden.“ Es heißt ausdrücklich „kann“ und nicht „muss“, d.h. die Behörden sind nicht dazu verpflichtet, KDV zum „Zivildienst“ zu zwingen. Weiter heißt es: „Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muss, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.“. D.h. wenn jemand wie z.B. hier der TKDV Herr Ehlert den Ersatzdienst verweigert, weil ihm sein Gewissen ihn verbietet, darf er gar nicht dazu gezwungen werden. Gesetze, die TKDV trotzdem zum Militärdienst oder einem Ersatzdienst verpflichten, sind somit verfassungswidrig. Die Ablehnung der Wehrpflicht an sich, welche Jan-Patrick auch durch einen Ersatzdienst („Kriegsdienst ohne Waffe“) erfüllen würde, ist ein hinreichender Gewissensgrund. Und zwar nicht, weil dieser Gewissensgrund für mich oder für das Bundesamt für den Zivildienst als hinreichend erscheint, sondern weil er für den TKDV selbst als „Inhaber“ seines eigenen Gewissens hinreichend ist. Das Gewissen lässt sich nicht überprüfen, weil es ein subjektives Urteil bzw. Gefühl ist, welches sich nicht objektiv in die Kategorien „richtig“ und „falsch“ bzw. „hinreichend“ und „nicht hinreichend“ einordnen lässt.
    Der „Zivildienst“ steht im Widerspruch zu Art. 12a Abs. 2 Satz 3 sehr wohl im Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte. So können z.B. Zivildienstleistende im Verteidigungsfall zu Luftschutz, Feuerlöschtätigkeiten und der Versorgung der Streitkräfte eingesetzt werden. Ferner ist das Zivildienstgesetz zu großen Teilen identisch mit dem Wehrpflichtgesetz. Viele Begriffe haben darin lediglich andere Namen („Anordnung und Befolgung“ statt „Befehl und Gehorsam“, „Dienstflucht“ statt „Fahnenflucht“).
    Dieser Widerspruch könnte zwar theoretisch durch die Anerkennung eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder Freiwilligen Ökologischen Jahres als Zivildienstersatz umgangen werden. Diese Dienste stehen aber im Widerspruch zu Art. 12a Abs. 2 Satz 2 („Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen.“).

 

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