Husum: Erster Tag Gleisblockaden Prozess

Heute, den 26. Mai 2010, fand die Fortsetzung der Verhandlung gegen Hanna Poddig im Amtsgericht Husum statt. Hanna hatte sich im Februar 2008 an ein Gleis beim Bahnhof in Wester-Ohrstedt gekettet, um einen Militärtransport zu stoppen, der vom Bundeswehr-Depot in Wester-Ohrstedt kam und auf dem Weg zu einer Übung der Nato-Response-Force (NRF) war. Mit dieser Aktion wurde zeitgleich zur Siko in München gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr protestiert. „Krieg fängt schon mit Üben an“, sagt Hanna Poddig. „Bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr geht es in meinen Augen nicht um „Sicherheit schaffen“ oder humanitäre Hilfe, sondern um Rohstoffe, wie beispielsweise Erdöl. Hier werden die Armen ärmer und die Reichen reicher gemacht, und zwar mit Hilfe von Waffengewalt. Das lehne ich ganz entschieden ab und deshalb habe ich mich mit dieser Aktion aktiv dagegen gestellt.“

Monate nach der Aktion bekam Hanna einen Strafbefehl, gegen den sie Widerspruch einlegte. Im Dezember 2009 platzte bereits ein erster Verhandlungstag wegen Befangenheitsanträgen gegen den Richter – und wegen Konfetti und Luftballons im Gerichtssaal. Diese unterminierten die Macht des Richters offensichtlich dermaßen, dass diesmal ca. zwölf PolizistInnen und die für ihre schikanösen Eingangskontrollen zur Einschüchterung der ZuschauerInnen berüchtigte schleswig-holsteinische „Mobile Einsatzgruppe Justiz“ nötig waren, um den Richter vor Konfetti und Luftballons zu beschützen.

„Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt“ hieß es auf einem Transparent, das damals bei der Demonstration auf den Gleisen hochgehalten wurde. Ganz eindeutig also eine politische Demonstration. Mit Erfolg, denn der Zug musste vier Stunde pausieren, bevor er seine Fahrt fortsetzen konnte. Doch die Justiz schafft es mehr oder weniger geschickt, das Ganze zu entpolitisieren. Hanna ist wegen Störung öffentlicher Betriebe und Nötigung angeklagt. „Von einem fairen Verfahren kann nicht die Rede sein. Der politische Inhalt der Aktion wird völlig unter den Tisch gekehrt, es geht nur darum, mich für mein Engagement zu bestrafen. Die Tatsache, dass die Kriegsbeteiligung der Bundeswehr eine gesellschaftliche Problemstellung ist, deren vermeintliche Lösung einfach von oben durchgesetzt wird, ohne unten zu fragen, gerät völlig aus dem Blickfeld. Doch ich habe nichts anderes erwartet und gehe auch davon aus verurteilt zu werden.“, sagte Hanna nach der heutigen Verhandlung.

Die Atmosphäre in der Verhandlung war von Anfang an sehr angespannt. Ein Zuschauer wurde wegen einer sachlichen Anmerkung aus dem Gerichtssaal geworfen. Selbst die Rechtsanwälte mussten um ihr Rederecht kämpfen. So setzte ein Anwalt sein Antragsrecht mit den Worten „Jetzt halten Sie sich endlich an die Strafprozessordnung!“ gegenüber dem Richter durch. Auch im weiteren Prozessverlauf ging es mehrmals zur Sache. Richter Veckenstedt bestand auch nach seinem „Einschweben“ in den Saal nach einer Pause auf die rituelle Unterwerfungsgeste des Aufstehens. Da einer der beiden Verteidiger auch sitzenblieb, entstand hieraus ein Streit, in dessen Verlauf der Verteidiger die mehrfach aushängende „Sitzungspolizeiliche Anordnung“ verlas: (leider nur sinngemäß) „Beim ersten Eintreten des Richter, bei Vereidigungen und beim Urteil haben sich die Zuschauer und Beteiligten zu erheben.“ Gemerkt? Es geht nur um das erste Eintreten…

Im eigentlichen Prozessverlauf wurden fünf Zeugen vernommen: der Lokführer, der Rangierleiter, die beiden PolizistInnen der Landespolizei, die als erste vor Ort waren, und der zweitwichtigste Bundes-Polizeibeamter in jener Nacht mussten den Vormittag über Rede und Antwort stehen. Dabei fielen zwei Aspekte ins Auge. Die BeamtInnen sehen: Demonstranten, Banner, Transparente, Forderungen, hören Slogans, aber auf die Idee, das Versammlungsrecht ernsthaft anzuwenden, kommt keiner.

Außerdem offenbarte der Prozess erwartungsgemäß den unverantwortlichen Umgang der Bundeswehr mit ihren Tötungshilfsmitteln. Zur Frage, ob, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet, Raketen an Bord waren, wussten beide Bahnarbeiter nichts auszusagen. „So was“ werde ihnen nicht mitgeteilt. Problematisch fanden sie diese Informationspolitik der Bundeswehr jedoch nicht.

Die Verhandlung wird am Freitag, den 28. Mai fortgesetzt und am nächsten Donnerstag, den 03. Juni wird das Urteil verkündet. Die Verhandlungstage beginnen jeweils um neun Uhr.

Während dieser Zeit „dauer-demonstrieren“ unterstützende Aktivisten und Aktivistinnen vor der Fliegerhorst-Kaserne in Husum (da kam der Krempel auf dem Militärtransport eigentlich her), um dem Inhalt der Gleisblockade-Aktion Nachdruck zu verleihen. Jedermann/-frau ist herzlich eingeladen mitzucampen oder die Protester-Camper_innen zu zu besuchen. Das Wetter ist erstaunlich gut, und die Sonne scheint!

Mit dem Zug nach Husum. Aus dem Bahnhof raus. Gerade aus. Über die Brücke. Geradeaus. Über den Kreisverkehr. Gerade aus. Drei Kreuzungen später später rechts in die „Norderstraße“ einbiegen. Gerade aus. Die Straße wird hinter der nächsten Kreuzung zum „Osterende“. Gerade aus. Immer gerade aus. Irgendwann heißt die Straße dann „Flensburger“ Chaussee. Und dann kommt die Demo vor dem Haupttor der Fliegerhorstkaserne auf der rechten Seite (Es sind knapp 3 km vom Bahnhof zur Demo).

Die AktivistInnen haben außerdem einen Briefkasten und freuen sich über Post:

Dauer-Demo gegen Krieg, Militär und Auslandseinsätze
Vor der Fliegerhorstkaserne
Flensburger Chaussee 41
25813 Husum

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