GEGEN KRIEG, MILITARISIERUNG UND PATRIARCHAT: CLIMATE JUSTICE NOW! (Hintergrundtext)

In einer Zeit, in der militärische Gewalt zur Durchsetzung politischer und wirtschaftlicher Interessen weitgehend unwidersprochen bleibt, können wir – Menschen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung – nicht länger schweigen und sagen Nein zu Krieg und Militarisierung. Wir befürchten, dass die aktuellen Kriege erst der Auftakt sind für vermehrte Kriege um Ressourcen, Transportwege und Macht- und Einflusszonen im von multiplen Krisen geschüttelten kapitalistischen Weltsystem.

Unser Widerstand gegen den fossilen Kapitalismus ist inspiriert von Bewegungen und Gemeinschaften, die im Globalen Süden gegen Enteignungen, Landvertreibungen, Umweltzerstörungen und für ein Leben in Würde kämpfen. Krieg, Gewalt und Korruption sind dort, wo mächtige internationale Bergbau- und Energiekonzerne Öl, Kohle, Erze und andere Rohstoffe abbauen und vermarkten, allgegenwärtig. Wir im Globalen Norden leben in relativer Sicherheit und profitieren schon viele jahrzehntelang von dieser globalen Ungleichheit, vom günstigen Import von Öl, Gas, Uran und Kohle u.a. aus Russland. Indigene Gemeinschaften, die seit Jahrtausenden in Südsibirien leben, verloren dort ihr Land und wurden kriminalisiert, weil sie ihren Lebensraum gegen den Steinkohle-Tagebau verteidigten. In Westsibirien eine ähnliche Geschichte, nur dass hier hauptsächlich Erdöl und -gas abgebaut werden. Die Beispiele ließen sich fortsetzen, mit Berichten aus Kolumbien, dem Kongo und vielen anderen mehr.

Fast dreieinhalb Jahre sind seit dem 24. Februar 2022, des russischen Angriffs auf die Ukraine, vergangen. Dieser Krieg fordert täglich unzählige namenlose Opfer auf beiden Seiten. Der mörderische Krieg hat längst die Form eines Stellungskriegs angenommen und weckt Erinnerungen an die Grausamkeiten des Ersten Weltkriegs. Die NATO, die EU und die Bundesregierung unterstützen die Ukraine mit Waffen und setzen auf Sieg. Doch das autoritäre Regime und die russische Wirtschaft erweisen sich trotz massiver Waffenhilfe an die Ukraine und Sanktionen als stabil. Wer in Russland gegen den Krieg opponiert, wird eingesperrt. Der Widerstand der ukrainischen Armee gegen die russische Invasion kann noch auf eine breite Unterstützung in der Bevölkerung zählen, auch wenn Kriegsmüdigkeit, Zwangsrekrutierungen, Verfolgung von Kriegsgegner*innen und andererseits nationalistische Tendenzen zunehmen. Eine Verhandlungslösung wurde von beiden Seiten und ihren Alliierten lange Zeit abgelehnt. Da auf dem Schlachtfeld eine eindeutige Lösung des Konfliktes nicht gefunden werden kann, wurden schon in verschiedenen Konstellationen Anläufe zu Verhandlungen geführt, doch diese Bemühungen wurden zuletzt von Putin sabotiert.

Militarisierung und Krieg manifestieren und verstärken sexistisch-nationalistische Vorstellungen von Geschlecht. Zuallererst aber führt Militarisierung zu einer Normalisierung von Gewalt, Gewalt im inneren, Gewalt gegeneinander, Gewalt als Austragungsform von Konflikten auch an den Grenzen und zwischen Staaten. Dies führt zu Prozessen der Entmenschlichung. Es führt  auch zur Ausübung von sexistischer Gewalt im Krieg, also wie die Nutzung von Vergewaltigungen als Teil der Kriegsstrategie, wie zum Beispiel durch die Hamas, die israelische Armee oder Rapid Support Forces und die Sudanesische Armee. Es heißt aber auch, dass Regierungen und Gesellschaften Menschen auf ihre Rolle als Soldat*innen beschränken – in vielen Regionen der Welt meist als männlich wahrgenommene Personen, die zum Kriegsdienst eingezogen werden. Sie werden dazu gezwungen, Gewalt auszuüben, zu töten und zu sterben. Ihnen wird Gewalt angetan, wenn sie sich verweigern, sowohl durch den gesellschaftlichen Normierungsdruck, als auch auf institutionellem Wege durch Einsperren oder Todesstrafe. Die für eine Kriegsführung notwendige Konstruktion von einem „wir“ und „den anderen“ verstärkt zudem Nationalismus. Alle Diskriminierungsmechanismen wie Ableismus, Rassismus oder Antisemitismus nehmen zu. So werden auch diejenigen zum Feind, die nichts zur „Verteidigung“ beitragen wollen, sollen oder können. Alle leiden unter der Gewalt und Zerstörung, aber nicht in gleichem Maß. So sind die Überlebenschancen von Menschen mit Behinderung auf verschiedene Weisen einschränkt: wie fliehen, wenn Hilfsmittel und Infrastruktur zerstört sind? Nur diejenigen, die die Kriege anordnen und davon profitieren, zählen meist nicht zu den Leidtragenden.

Die Welt verändert sich. In der aktuellen Auseinandersetzung um eine neue globale Ordnung, die zwischen verschiedenen Weltmächten wie China, Russland, den USA oder Europa stattfindet, werden Kriege zunehmend wieder eine Option zur Durchsetzung politischer Interessen. Das lässt sich sowohl am Erstarken von rechten Politikern wie Trump, Merz, Xi, Putin, Netanjahu, Modi oder Erdoğan beobachten, als auch an dem Bedeutungsverlust globaler Organisationen wie der UN oder des Internationalen Strafgerichtshofs. Kriege nehmen wieder zu. Das passiert nicht nur in der Ukraine, sondern zeigte sich am 7. Oktober 2023 besonders deutlich an dem Tag des Massakers der Hamas im Süden Israels und der darauf folgenden Eskalation der ohnehin seit Jahren andauernden militärischen Gewalt im Gazastreifen. Diese Eskalation forderte zehntausende zivile Opfer, fachte die Kriege im Jemen und Libanon weiter an und trägt zur großflächigen Destabilisierung einer Region bei, die längst von gegeneinander wirkenden Gewaltverhältnissen durchzogen ist – manche sichtbar, viele normalisiert, alle zerstörerisch. Auch die Bundesmarine wurde zum „Schutz deutscher Interessen“ zur Kontrolle des Seewegs durch den Suezkanal entsandt. Hinter dieser Formel verbergen sich neokoloniale Ansprüche auf Rohstoffe und Ressourcen wie Lithium, Wasserstoff oder seltene Erden, die eine neue Runde kapitalistischer Wertschöpfung ermöglichen.

Kriege wie der in der Ukraine werden für das voranbringen wirtschaftlicher Interessen genutzt, auch die von Schleswig-Holstein. Obwohl Nancy Faeser medienwirksam gegen die Menschenrechtsbrüche bei der Errichtung der Fußball-WM-Stätte in Qatar protestierte, einigte sich die Bundesregierung 2022 unter dem Vorwand der Unabhängigkeit von Russland mit Qatar auf einen mindestens 15-jährigen Liefervertrag von Flüssigerdgas (LNG). Unter anderem in Brunsbütttel wurde daraufhin im Schnelldurchlauf ein Terminal eröffnet. Offensichtlich geht es der Regierung vorrangig um geostrategische Interessen und den Zugang zu Ressourcen und nicht um die Wahrung der Menschenrechte.

Es besteht die Gefahr, dass sich die westlichen Gesellschaften im Angesicht multipler Krisen in Kriegsregime verwandeln, um ihre Interessen weltweit durchzusetzen. Tatsächlich erleben wir eine rasante Militarisierung, auch in Europa. Zehn Jahre wurde über die Umsetzung des 2% Nato Ziels gestritten, kommende Woche wollen nun alle NATO Staaten 5% des BIP für Militärausgaben vereinbaren und damit den größten Aufrüstungsschub seit dem zweiten Weltkrieg umsetzen. Der ehemalige Bundeskanzler Scholz sprach von einer Zeitenwende und setzte auf den Ausbau des militärisch-industriellen Komplexes. Während das Kriegsregime Investor*innen exorbitante Renditen verschafft und den meisten Menschen in Moskau, Berlin und New York ein normales Konsumleben ermöglicht, sterben anderswo Soldat*innen und Zivilist*innen, werden Städte und Landschaften verseucht und zerstört, die Klimakrise angeheizt.

Doch der Krieg hat auch weitab von der Front seinen Preis, verändert die Sprache, das Denken und das Zusammenleben der Menschen. Das Freund-Feind-Denken und die moralische Verurteilung des Anderen gehen Hand in Hand. Wer gegen Krieg und Militarisierung Position ergreift, wird mundtot gemacht oder kriminalisiert.

Im Krieg stirbt als erstes die Wahrheit. Aus der Ukraine und aus Gaza sind derzeit kaum unabhängige Informationen zu bekommen. Augenzeugenberichte und die Stellungnahmen der Kriegsparteien sind nicht zweifelsfrei überprüfbar. Besonders gefährdet sind unabhängige Medienschaffende. Eine kritische Berichterstattung hat Seltenheitswert und wird zum Teil von der Kriegsbegeisterung vieler Journalist*innen übertönt.

Zum Preis des Krieges gehört auch die Herstellung von Massenloyalität durch die Betonung des „Wir“ oder „unserer Interessen“. Um den äußeren Feind besiegen zu können, muss der Feind im Inneren erkannt werden, vermeintliche Saboteur*innen oder „kriminelle Klimakleber“. Sprachen Medienschaffende 2019 noch stolz von den „Klimakids“, die sich um unsere Zukunft sorgen, gelten dieselben Aktivist*innen heute als Bedrohung. Als Mitglieder der „Letzten Generation“ bei Schwedt den Gashahn von North Stream 2 abdrehten, war prompt von einem Sabotageakt die Rede. Seitdem gilt die Gruppe, die wie keine andere auf den Dialog mit der politischen Elite setzt, als „kriminelle Vereinigung“. Kohlebahnen oder Kraftwerke werden als „kritische Infrastruktur“ bezeichnet, wer sie blockiert, muss mit drakonischen Strafen rechnen und gerät ins Visier der politischen Polizei oder des Geheimdienstes. So gilt Ende Gelände nun auch offiziell als verfassungsfeindlich, „Omas gegen rechts“ und andere Initiativen werden als demokratiefeindlich verdächtigt und u.a. mit dem Entzug von öffentlichen Fördermitteln bedroht.

Fragen zu Militarisierung und Rüstung durchziehen den gesamten Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Das nach oben offene, schon jetzt Hunderte Milliarden teure Aufrüstungsprogramm soll auch für die innere Sicherheit nutzbar sein. Gemäß den Anforderungen der NATO will Deutschland zu den rund 182 Tausend zusätzlich 70 Tausend Soldat*innen rekrutieren. Eine vollständige Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wird derweil von immer mehr regierenden Politiker*innen gefordert. Schon die Ampel-Koalition führte die Wehrerfassung ein und begann mit verstärkten Werbefeldzügen auf Social Media, in Schulen und Universitäten. Im gleichen Atemzug wurde angekündigt, auch Zwangsrekrutierungen einzuführen, sollten sich nicht genug ‚Freiwillige‘ finden.

Im Angesicht des Krieges setzen Politiker*innen und Investor*innen auf den fossilen Kapitalismus, als gäbe es keine Klimakrise – mit verheerenden Folgen, nicht nur für die Menschen im Globalen Süden. Auch im Globalen Norden gibt es vermehrt Hitzewellen, Überschwemmungen und schwere Stürme. Statt die Ursachen der Klimakrise zu bekämpfen, warnen Politiker*innen gerne vor einer Massenmigration aus Afrika und dem Nahen Osten und legen immer neue Programme zur Militarisierung der Grenzen Europas auf – für Frontex, Lager und Abschiebeknäste. Dabei migrieren Menschen sogar in bereits sehr stark von der Klimakrise betroffenen Ländern, wie Bangladesch, Pakistan oder den pazifischen Inseln. Warum Menschen sich auf den Weg machen, hat vielschichtige Gründe und hängt von wirtschaftlichen, politischen, sozialen und ökologischen Faktoren ab. Dabei ist die durch den Klimakollaps entstehende Migration noch nicht einmal die schwerwiegendste Folge der Erderwärmung im Vergleich zur erzwungenen Immobilität der Ärmsten. Ihnen bleibt nach Dürren, Überschwemmungen oder Stürmen oft nichts, mit dem sie der Not entfliehen könnten.

Zu viele Menschen in Europa stehen diesen Entwicklungen gleichgültig oder ohnmächtig gegenüber, die Kritik an der unbegrenzten Ausbeutung von Mensch und Natur, der Militarisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist viel zu schwach. So wirft die fehlende Opposition gegen Krieg und Aufrüstung die Frage auf, ob wir – die privilegierten Menschen im Globalen Norden – überhaupt zu Empathie mit dem Leid und dem Schmerz der Anderen und zu solidarischem Handeln fähig sind. Wir müssen anfangen diese Entmenschlichung zurückzuweisen und die westliche Überheblichkeit und weiße Vorherrschaft in Frage zu stellen und die eigene historische koloniale Verantwortung anzuerkennen. Wir werden nicht wegsehen, sondern aktiv gegen Krieg, Militarisierung und Patriachat vorgehen. Climate Justice Now!

WAFFENSTILLSTAND AN ALLEN FRONTEN + FREILASSUNG ALLER GEISELN UND KRIEGSGEFANGENEN + DESERTEURE UND GEFLÜCHTETE AUFNEHMEN + STOPP ALLER WAFFENEXPORTE!

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