Protest wagen – auch alleine.
Erfahrungsbericht einer Aktivistin, die zufällig in der Reha Bad Bocklet war, als in der Kleinstadt ein Bundeswehr Gelöbnis statt fand. Bad Bocklet hat ca. 5000 Einwohner*innen. Ca. 500 Soldat*innen kamen in den Kurpark, Politiker wie der bayrische Innenminister waren von der Party. Panzer und andere Kriegsgeräte standen zur Schau. Ca. 2000 Zuschauer*innen beklatschten das Militärspektakel.
Quelle: http://blog.eichhoernchen.fr/post/Wer-stoert-wen-Frechheit-statt-Militarismus
„Stell dir vor, es ist Bundeswehrgelöbnis mit mehreren Hundert Soldat*innen, dem bayrischen Innenminister und Tausenden Militarismus-Fetischistischen und kein/e Kriegsgegner*in geht hin? Oder doch! Das unbeugsame Eichhörnchen mischte mit Banner und Trillerpfeife auf. Allein gegen Tausende. Und wurde durch die Polizei entfernt, weil solch eine Frechheit die Reproduktion von Ruhe und Ordnung stört!(1) Ein Erfahrungsbericht -Mit Tatwaffen auf dem Bild links (Banner und Trillerpfeife)
Frechheit und Freiheit statt Gehorsam und Militarismus!
Die Freizeitgestaltung ist hier im Rehazentrum Bad Bocklet nicht besonders abwechslungsreich. Es gibt kostenpflichtige Angebote (Yoga, Basteln, etc.), Wanderung (es gibt leider keinen barrierefreien Weg) oder auch sowas wie Kapellenmusik im Haus. Nicht so ganz meinen Geschmack. Aber ich kann damit leben und mit der Zeit habe ich Menschen kennen gelernt. Wir unterhalten und und ich habe einen Akkordeon und Jonglierbälle dabei. Wenn aber wie gestern Militärmusik bis in mein Zimmer hinein stört… muss ich wohl aktiv werden! Ich hatte im Internet gelesen, wie die Stadt zum Militär steht. Ein fragwürdiger Klüngel aus Politik und Wirtschaft (Rhön GmbH, Oberelsbacher Pax-Brauerei) hält zusammen und sorgt dafür, Militarismus und Krieg Salonfähig zu machen. Dazu gehört ein jährliches Gelöbnis im Kurpark.
Militär-Propaganda in der Öffentlichkeit
Der Zufall wollte, dass das Gelöbnis während meines Aufenthaltes hier statt findet. Das Rehazentrum organisierte eine Busfahrt zum Kurpark (der ansonsten vom Rehazentrum aus nicht Barrierefrei erreichbar ist!).
Der Bürgermeister von Bad Bocklet und der bayrische Innenminister lobten das Kriegstreiben für das Vaterland und Gott. Kriegsmaschinen standen im Kurpark verteilt zu Schau. Es wurde zu einem Familientag mit der Bundeswehr aufgerufen. Damit Kinder früh eingeredet wird, das krieg nun eben eine ganz tolle Angelegenheit ist.
Ich soll ganz alleine mit meinem witzigen Banner und Trillerpfeife die Ordnung von geschätzt 2000 Kriegstreiber*innen (Soldat*innen und Politik – u.a. Bay. Innenminister und Kriegsunterstützer*innen) gestört haben.
Eine Freundin hatte mir das Banner mit dem treffenden Spruch „Frechheit und Freiheit statt Gehorsam und Militarismus“ per Post zukommen lassen. Danke! Danke auch an Nat für dein passendes Lied „Du hast den Verstand verloren, findest ihn nicht mehr, denn du hast den Eid geschworen bei der Bundeswehr…“
Ich habe mich mit meinem Banner am Rande der Veranstaltung hingestellt und erstmals zugehört. Widerlich, fand ich das Gerede aus der Politik.
Es geht nicht um Grundrechte. Es geht um die Sicherung von Macht- und Wirtschaftlichen Interessen. Es geht nicht um die Bekämpfung von Terrorismus. Die kriegs- und Gewaltlogik ist Terror. Krieg ist Terror – mit mehr Geld.
gewaltsame Aktivbürgerin
Als alle klatschten, habe ich die Trillerpfeife ausgepackt um eine gegenteilige Meinung in etwa der gleichen Lautstärke zum Ausdruck zu bringen – an sich keine Störung, da die Menschen zu dem Zeitpunkt selbst laut wurden. Eine Frau riss mir trotzdem mit Gewalt die Trillerpfeife aus der Hand und nahm es zu sich. Ihr dürfte bewusst gewesen sein, dass sie mir dabei Schmerzen zufügte, ich trage ja schließlich Handgelenkschoner. Aber dieses verhalten passt sehr gut zu Menschen, die Militarismus bewundern.
Respekt für Kriegsopfer
„Bitte um Respekt für meinen Sohn, der hier auftritt“, sagte die Dame. „Kritik muss auch Ihr Sohn ertragen. Mit meiner Haltung zeige ich Respekt für die Menschen, die durch Kriege umgebracht werden und mit Ihrem gewalttätigen Vorgehen gegen eine einfache Meinungsäußerung bekräftigen Sie, dass Grundrechte und Militarismus nicht vereinbar sind.“ Erwiderte ich.
Grundrechte und Bundeswehr? Inkompatibel!
Für mich was das Fass voll. Ich wurde erst recht mit Antikriegsparolen und Liedern laut, vom klassischen „Kein Gott, kein Staat, kein Vaterland“ als der Innenminister die Verteidigung des Vaterlandes und der Botschaft Gottes durch die Soldat*innen lobte bis zu „Wehr euch, leistet Widerstand gegen die Kriegsindustrie im Land“ über das „Soldaten sind Mörder“ von Kurt Tucholski. Meine Stimme konnte mir die Dame nicht weg reißen. Die Dame versuchte die Trillerpfeife Soldaten abzugeben, diese nahmen diese nicht an. Ich bekam sie schließlich zurück. Kurz darauf wurden Soldaten und Polizisten zu mir geschickt, um auf mich einzureden. „Sie haben keine Straftat begangen, wir müssen Sie aber davon abhalten, das ist ungehörig was Sie machen“. Ich konnte mir eine Provokation nicht verkneifen. „Oh ja ich bin sooo gerne grob ungehörig!“
Ich wurde schließlich weg gefahren und erhielt vom Kurdirektor einen Hausverbot für den der Öffentlichkeit gewidmeten Park , weil ich die Ordnung stören würde. Art. 5 GG gelte im Kurpark nicht, wenn die Bundeswehr auftrete. Spannend, der Innenminister hatte zuvor die Verteidigung des Grundgesetzes durch die Bundeswehr gelobt. Gut dass ich mit dem Rollstuhl unterwegs war, hat mir Polizeigewalt durch Zwangsgriffe erspart. Wegrollen kriegen die Herrschaften sanfter als Wegtragen (das in der Regel mehr einem Prügel ähnelt) hin.
Unbeugsamer Protest
Die Polizei wäre mir gern los geworden, aber mein Bus fuhr erst eine Stunde später zur Klinik zurück und die Strasse vom Kurpark zur Klinik ist für Rollifahrer*innen zu steil. Ich fuhr also um den Park herum und sang weiter Antikriegslieder. Der Kurdirektor versuchte mit mir zu reden, wohl damit ich nicht pfeifen kann, solange das Gespräch andauert. Ich teilte ihm mit, das Spiel durchschaut zu habe, er könne nicht durch sein Hausverbot faktisch ein Redeverbot erteilen und dann ins Gespräch kommen wollen. Außerdem dürfte ich ja meine Gesprächspartner wählen. Ein Soldat versuchte sich dann verständnisvoll an mich zu wenn – hier natürlich mit dem ziel mich in ein Gespräch zu verwickeln und vom Protest abzuhalten. Er teilte mir mit, es verstehe dass ich Kritik äußern wolle, dass ausgerechnet das Engagement der deutschen Bundeswehr, sei Garant von Freiheit in der Welt, die Kritik sei nicht fair. Ach ja die Bundeswehr… Mit einem großen Haufen Nazis in ihren Reihen, mit Wehrmacht Devotionalen in den Kasernen… und eben eine Ausbildung zum töten und nicht zur gewaltfreien Konfliktlösung. Ich bin dem Soldaten davon gefahren und habe fröhlich weiter getrillert. Frechheit statt Gehorsam! Poltisches Happening statt Kriegspropaganda!
Die Polizisten drohten außerdem damit, mir die Rechnung für die Anwendung von Zwang durch vier Beamten gegen meine Person. Meine Reaktion war offensichtlich die erhoffte: „Oh ja den Prozess hätte ich gerne. Die Leistungsfähigkeit der Polizei könnte in lustiger Art und Weise zur Schau gestellt werden. Also dass es bei der Polizei vier Beamten braucht um einen Rollstuhl zu schieben! Und ich hätte gern die Politische Bühne zur Auseinandersetzung darüber, wer denn wen stört. Ob in einem öffentlichen Park das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gilt.
Ein Fazit
Es fühlte sich seltsam an, alleine mitten der Menschenmenge zu protestieren. Nicht wenige haben damit gedroht, mich zusammen zu prügeln, die Polizei behauptete gar mich zu schützen indem sie mich des Platzes verwies (vielleicht wahr aber warum wird friedlicher Protest und nicht die gewaltsame Menschen entfernt?). Es gab auch ausdrücklich positive Reaktionen auf die Aktion.
Aber ich kann nicht anders. Insbesondere wenn dies sich das Spektakel vor meiner Haustür abspielt. Ich kann Militärpropaganda nicht einfach so ohne Gegenworte, ohne politisches Happening – so klein es war – stehen lassen. Ich spüre in mir, dass ich handeln muss. Mir kommen die tausenden Menschen, die in Kriegen oder auf der Flucht zu Tode kommen, vor Augen. Die Heuchelei der Politik, die Flüchtlinge nicht als Menschen sondern als Problem sieht, obwohl sie mit ihren Machtspielchen und Kriegen die Flucht zahlreicher Menschen mitverursacht.
und wer denkt, er / sie hat damit nichts zu tun. Wer denkt, dass Protest nicht notwendig ist. Ich empfehle u.a. die Lektüre von „Matin brun“ (Brauner Morgen)
Der Protest hat mir auf jeden Fall auch Spaß gemacht, ich wäre ansonsten beim Klang der Marschmusik bis in mein Zimmer hinein vor Wut explodiert! Nicht ich habe gestört, sondern die Bundeswehr!“
(1) Reproduktion von Ruhe und Ordnung ist ein Gedicht von Erich Fried.
Die Ordnung ist dazu da
die Ruhe zu wahren
Die Ruhe ist dazu da
die Ordnung zu wahren
Die Frage
wem diese Ruhe und Ordnung dient
ist unstatthaft weil sie
Unruhe und Unordnung stiftet
Als Antwort darauf
geruht nun öfter die Ordnung
ihre ewigen Störer
zur ewigen Ruhe zu bringen