Alle reden von „Friedenseinsätzen“, aber wir verstehen nur Krieg

Aktionsbericht und Spendenaufruf

Protest gegen Bundeswehr "Rückkehrerappel" in LG, März 2017

Protest gegen Bundeswehr „Rückkehrerappel“ in Lüneburg, März 2017

Lüneburg den 30.03.2017: Aktivist*innen steigen der Bundeswehr aufs Dach um gegen die Militarisierung des öffentlichen Raumes und des politischen Denkens und Handelns zu protestieren.
Mit einer spektakulären Aktion an einer Gebäudefassade über dem Lüneburger Marktplatz demonstrierten am  Donnerstag, den 30.03. Aktivist*innen gegen den dort stattfindenden „Rückkehrerappell“ der Bundeswehr. Sie entrollten Banner mit der Aufschrift „Krieg ist Terror – nur mit mehr Geld!“ sowie „Der größte Verrat ist Dienst fürs Vaterland“ und protestierten lautstark. Nach knappen anderthalb Stunden wurden die Aktivist*innen vom vermummten Sondereinsatzkommando (SEK) geräumt.
Als „Rückkehrer“ sind die Soldat*innen des in der Lüneburger Theodor-Körner-Kaserne stationierten Aufklärungslehrbataillon 3 gemeint. Angehörige dieser Truppe sind immer wieder an den weltweiten Kampfeinsätzen der Bundeswehr beteiligt. Bei diesem militärischen Spektakel, bei dem die Soldaten als Friedensstifter*innen oder humanitäre Helfer*innen präsentiert werden sollen, wird der wahre Charakter der „Auslandseinsätze“ der Bundeswehr bewusst verwischt: Die internationalen Einsätze dienen nicht der Friedenssicherung, Menschenrechten oder dem Kampf gegen den Terrorismus. Tatsächlich geht es bei den Militäreinsätzen in erster Linie um wirtschaftliche und machtpolitische Interessen, sowie Profite für die Rüstungsindustrie. Deutschland ist aktuell an Militäroperationen in über 16 Ländern beteiligt. Die Zahl der deutschen Kriegseinsätze ist seit dem Kosovokrieg 1999 kontinuierlich gestiegen. Die Bundesregierung plant die Ausgaben für Krieg, Soldaten und neue Waffen von derzeit 34 Milliarden Euro bis 2020 auf 40 Milliarden Euro zu erhöhen. Als einer der fünf führenden Waffenexporteure gießt Deutschland zudem laufend neues Öl in das Feuer bestehender Konflikte.
Öffentliche Appelle des Militärs haben in Lüneburg eine unrühmliche Tradition. Sei es Reichs- oder Wehrmacht oder heute die Bundeswehr, die in Lüneburg stationierten Militäreinheiten suchten immer wieder die Öffentlichkeit, um Zustimmung für ihre Kriegspolitik zu erlangen und Soldatentum und Krieg zu glorifizieren – wie am heutigen Tag auf dem Marktplatz.
„Wir widersprechen energisch und öffentlich der Militarisierung des öffentlichen Raumes und des politischen Denkens und Handelns. Kriegspropaganda darf kein Raum geboten werden“ so die Kletteraktivist*innen.
Sie spielten antimilitaristische Lieder (Le Deserteur, Es ist an der Zeit, usw.) über ein Megafon ab und äußerten Kritik an der stetigen Militarisierung des öffentlichen Raums.  Die Lüneburger Polizei setzte auf ein gewaltiges martialisches Polizeiaufgebot, um die angekündigten Proteste gegen das öffentliche Auftreten der Bundeswehr zu unterbinden. Selbst das Sondereinsatzkommando aus  Hannover wurde vorsorglich in Bereitschaft versetzt, um unliebsamen Protest zu unterbinden. Nach knappen anderthalb Stunden wurden die Aktivist*innen vom SEK geräumt. Eine Antiterorreinheit wurde zur Beschneidung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingesetzt. Die Polizei hielt sich nicht einmal an ihre eigenen Gesetze und sprengte die Versammlung ohne vorige Ankündigung. Ob das die „Demokratie“ ist, die die Bundeswehr in aller Welt verteidigen will?
Die SEK-Beamten gingen unprofessionell gegen die Kletteraktivist*innen vor und beschädigten sowohl das Dach als auch ein Protestbanner der Demonstrierenden. Sie gefährdeten außerdem eine Aktivistin bei der Räumung. Lediglich der Protest der Kletteraktivist*innen und aufmerksamer Zuschauer*innen verhinderte das gefährliche Durchschneiden des Sicherungsseiles der Aktivistin durch das SEK.

Nach der Räumung wurden alle Aktivist*innen auch jene, die auf dem Dach die Seile bewachten, in Gewahrsam zur „Gefahrenabwehr“genommen. Friedlicher Protest stellt offensichtlich eine Gefahr für die Propaganda der Bundeswehr dar! Zahlreiche Passant*innen zeigten sich empört und beglückwünschten die vier Aktivist*innen mit Applaus für die erfolgreiche Aktion. Der Rückkehrerappell erwies sich schließlich als ein absolutes Fiasko für die Veranstalter. Es kamen statt den angekündigten 1500 Besucher*innen nur ungefähr 500 – davon gut ein Drittel Kritiker*innen der Veranstaltung. Die in Gewahrsam genommenen Aktivist*innen wurden zum Heinrich-Heine-Haus  abgeführt.  Schon absurd, dass sich die Bundeswehr und Polizei in dem Haus eingerichtet hatte, wo Heinrich Heine doch schon 1845 schrieb „Deutschland, wir weben dein Leichentuch“.
Die Kletteraktivist*innen wurden dort durch Amtsrichterin Lindner zu ihrer Ingewahrsamnahme „angehört“. Die „Anhörung“ erwies sich als eine Farce im Schein-Rechtsstaat. Die Richterin hatte sich bereits vor der Anhörung der Aktivist*innen entschieden und brachte zum Ausdruck, sie würde die rechtlichen Einwände der Aktivist*innen so oder so nicht berücksichtigen, ihnen sei kein Glauben zu schenken.Durch Befangenheitsanträge seitens der Aktivist*innen wurde der ursprüngliche Plan der Richterin allerdings durchkreuzt und sie musste eine*n Kolleg*in suchen, was ihr offenbar nicht gelang. Der Antrag wurde nicht bearbeitet, was Richterin Lindner nicht daran hinderte  die Ingewahrsamnahme anzuordnen. Der Vorgang verwunderte die Betroffenen nicht: Richterin Lindner ist in Lüneburg für katastrophalen Entscheidungen im Asylrecht bekannt – sowie für ihren willkürlichen Verhandlungsstil im „Keksprozess“ vor wenigen Jahren. Sie verurteilte einen Aktivisten, dem vorgeworfen wurde, abgelaufene Kekse aus einer Mülltonne entnommen zu haben. Ihr Urteil wurde damals in der Berufungsinstanz aufgehoben.
Nach der „Anhörung“ beschlagnahmte die Polizei sämtliche Kletterausrüstungen und kundgebungsimmanente Gegenstände wie Banner und Megafon. Selbst ihre Rucksäcke wurden als Beweismittel sichergestellt. Die Logik hinter der Beschlagnahmung der Rucksäcke als Tatmittel ist nicht verständlich, weil danach auch die Kleidung der Aktivist*innen hätte beschlagnahmt werden müssen. Schließlich wurde diese auch während der Aktion getragen!
Die Aktivist*innen wurden im Anschluss an das Militärspektakel auf dem Marktplatz frei gelassen. Die Aktion ist jedoch nicht beendet: Sowohl der Gewahrsam als auch die Beschlagnahme ihrer persönlichen Gegenstände dienen dem Zweck der Kriminalisierung und Ersatzbestrafung. Die Betroffenen wollen sich juristisch dagegen wehren. Auch wurden politisch motivierte Strafverfahren gegen sie eingeleitet.

Spendenaufruf
Leider kostet auch der Widerstand in der kapitalistischen Welt Geld und die Polizei hat Material im Wert von über 1000 Euro beschlagnahmt. Wenn ihr die Aktion unterstützenswert haltet und/oder ein paar Euros übrig habt, helft uns bitte das Material zu ersetzen.
Über Unterstützung würden wir uns riesig freuen 🙂 Der Verein Unfug e.V., der sich die Förderung von bezahlbarem Wohnraum, von Freiräumen und gewaltfreiem politisches Engagement zum Ziel gesetzt hat, stellt sein Konto für Solispenden zur Verfügung.
Ob in der Luft oder auf der Straße: wir sehen uns bei der nächsten Polit-Aktion!
Spenden:
Unfug e.V.
IBAN: DE38430609672033583600
BIC: GENODEM1GLS
Stichwort: Aktionsunterstützung

Krieg beginnt hier – Widerstand auch!

Weitere Informationen:
www.krieg.nirgendwo.info
www.unfug.denknix.de

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