Gilt die Pressefreiheit auch in Schleswig?, Polizeidoku Schleswig Teil 1

Wir dokumentieren hier einen Artikel der Initiative militarismus-jetzt-stoppen

Gilt die Pressefreiheit auch in Schleswig?

Eigentlich gibt es da nichts misszuverstehen: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (…) Eine Zensur findet nicht statt. So lauten die Kernsätze des Artikel 5 der bundesrepublikanischen Verfassung. Doch davon scheint ausgerechnet bei Polizei und Oberlandesgericht (OLG) in Schleswig noch nichts angekommen zu sein.

4.2.2011, mittags vor der Schleswiger Polizeizentralstation. Die Schleswiger Polizei hat gerade zwei AntimilitaristInnen entlassen, die sie vor dem OLG verhaftete hatten. Dort findet gerade ein Prozess gegen eine Aktivistin statt, die mit einer Ankettaktion anlässlich eines Militärtransportes gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr protestierte. Die beiden jetzt Verhafteten wird vorgeworfen, in der Eingangskontrolle des Gerichts gestört und sich gegen den Rauswurf gewehrt haben. „Wir haben den Beamten nicht schnell genug unsere Taschen gezeigt, und nach der Rechtsgrundlage gefragt.“ Einer der beiden gibt zudem an, auf der Wache misshandelt worden zu sein: „Die haben mir in den Unterleib geboxt und meine Kontaktlinsen in die Augen gedrückt.“ Die Polizei in Schleswig wollte sich trotz Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern. Im Gegenteil: Einem sich nach dem für die Polizeigewalt verantwortlichen Beamten erkundigendem Journalisten wird eine Beleidigung vorgeworfen.

Polizisten werden gewalttätig
Vor der Wache eskaliert die Situation erneut. Als die beiden Verhafteten nach ihrer Entlassung von solidarischen Menschen in Empfang genommen werden, geht den anwesenden PolizistInnen das Verlassen des Parkplatzes nicht schnell genug. Angeblich um einen vorher ausgesprochenen Platzverweis durchzusetzen, stürmen ein dutzend Polizisten unter dem Kommando des Polizeihauptkommissar Michael Trede aus der Wache. Laut den Betroffenen stoßen und schubsen die Uniformierten sofort die Betroffenen vom Gelände. Als eine Person ansetzt, das Geschehen mit einer Kamera zu dokumentieren, schlägt der Polizeimeister Paulsen mit dem Schlagstock auf Kopfhöhe zu. Er trifft, die Kamera fällt zu Boden. Die Person dreht sich weg, der Polizist setzt nach und schlägt noch einmal gegen den Rücken.

Polizei bestreitet eigegen Gewalteinsatz nicht
Der stellvertretende Wachleiter Michael Trede beschreibt in seinem Bericht den Vorfall in einer etwas anderen Variante:

„Einmal abgesehen davon, dass diese Version der Polizeigewalt nicht den Tatsachen entspricht, zeigt der Vermerk wie wenig die Pressefreiheit in Schleswig zählt!“ sagt einer der Betroffenen. Die Polizisten seien laut der Schilderung aus der Wache gekommen. Dann habe Polizeiobermeister Paulsen mit dem Schlagstock einer Person in den Rücken geschlagen. „Das heißt, die geschlagene Person hat sich vom Parkplatz wegbewegt. „Damit ist sie exakt der Aufforderung der Beamten nachgekommen, und der Schlag eindeutig unverhältnismäßig und damit rechtswidrig“ analysiert Jan Hansen von HusumA-Solifond. Laut der Schilderung habe sich die betroffene Person nach diesem rechtswidrigen Gewalteinsatz umgedreht, und versucht, den „Schläger“ zu fotografieren. Dieser Versuch einer Bildberichterstattung über Polizeigewalt (und Beweissicherung) wird mit einem Schlag beantwortet.

Bewusstes Verprügeln des Fotografen?
Die Frage ob die eingesetzten Beamten um PHK Trede und den schlagstockschwingenden POM Paulsen gezielt nach der Kamera schlugen, weil ie wussten, das Bildberichterstattung über Polizeigewalt nicht strafbar ist, ergibt sich aus dem Protokoll ihres Chefs, PHK Ralf Lohmeyers. Dieser gibt am 4.2.2011 folgendes zu Protokoll:

Polizei kennt keine Recherche
Doch kritische Presseberichterstattung mag auch der Einsatzleiter nicht. Am 6.2. meldet sich ein unabhängiger Journalist in Schleswig mit der Bitte um Stellungnahme zu den Vorwürfen. Die Antwort zeigt, dass die zuständigen Sachbearbeiter es mit dem Wort „Jeder“ in § 5 nicht so ganz genau nehmen:

Das mit der Presseanfrage wird dem Kontaktbeamten erklärt:

Polizeichef fordert Zensur
Doch alles erklären hilft nicht. Mit Pressefreiheit können die Cops scheinbar nichts anfangen. Die Anfrage wird als „Dienstaufsichtsbeschwerde“ bearbeitet. Doch offensichtlich hat Herr Lohmeyer trotzdem ins Internet geschaut. Dort findet er kritische journalistische Berichterstattung ( Dieser Text wird als Ausdruck zur Akte genommen: https://de.indymedia.org/2011/02/299640.shtml . Und wir reagiert ein das Grundgesetz schützender Polizist in einem demokratischen Regime? Er fordert die Staatsanwaltschaft u.a. mit einer falschen Behauptung zu Zensur auf:

Dienstaufsichtsbeschwerde bedeutet Anzeige?
Also wird am 22.2.2011 die „Dienstaufsichtsbeschwerde“ und die Akte einschließlich der obigen Bitte um Zensur an den Herrn Neustadt von der Kripo (Staatsschutz) weitergeleitet. Das erste, was laut Akte der Herr Neustadt tut, ist eine Anzeige schreiben. Jedoch nicht wegen Körperverletzung im Amt oder Unterbindung von Bildberichterstattung, sondern wegen Beleidigung. Der Täter soll der Journalist sein, der eine Anfrage zu Recherchezwecken stellte.

Staatsschutz betreibt Verfahren
Und um alle Zweifel auszuräumen, wie der Flensburger Staatsschutz auf Menschen reagiert, die kritische Fragen stellen, outet sich Herr Neustadt am 9.3.2011 als die treibende Kraft hinter dem Beleidigungsverfahren gegen den recherchierenden Journalisten:

Justiz kennt auch keine Rechercheanfragen
Und die Justiz? Der Staatsanwalt Truknus scheint die Akte nicht mal gelesen zu haben, oder er macht das Umdeuten einer Rechercheanfrage und damit das Ignorieren der Pressefreiheit,einfach mit, den auch bei Staatsanwalt Truknus ist von einem als „Dienstaufsichtsbeschwerde bezeichneten Schreiben“ die Rede.

Rechtsbeugung durch die Staatsanwaltschaft?
Davon, das bei Körperverletzung und Sachbeschädigung im Dienst der Wille des Betroffenen egal ist, weil dies sog. Offizialdelikte sind, bei denen die Staatsanwaltschaft ermitteln muss, wenn sie davon Kenntnis erhält, scheint er Truknus auch nix zu wissen.

Kriminalisierung wegen Rechercheanfrage
Und wie die Bezeichnung Beschuldigter schon vermuten lässt, wird stattdessen der Journalist, der die Rechercheanfrage stellte, kriminalisiert. Anstatt irgendeinem der dokumentierten Vergehen der Polizei nachzugehen, oder den Gewalteinsatz zur Verhinderung einer Bildberichterstattung aufzuklären, beantragt Staatsanwalt Truknus einen Strafbefehl, den das Amtsgericht Schleswig auch ausstellt.

Gewalt im demokratischen Regime
Damit zeigt sich: Im demokratischen Regime wird die ausführende Gewalt durch die rechtssprechende Gewalt nicht etwa kontrolliert, sondern gedeckt. Die rechtsprechende Gewalt sanktioniert nicht etwa das Prügeln zur Unterbindung einer Bildberichterstattung. Im Gegenteil: Die rechtsprechende Gewalt bestraft es, wenn Berichterstattung die Polizei als das entlarvt, was sie ist: Ausführende Gewalt.

Prozessbeginn am 20. März
Der erste Verhandlungstermin (Beleidigung) findet am 20.3. um 9 Uhr am Amtsgericht Schleswig statt. Am 3.4. wird wegen angeblichen Widerstandes verhandelt. Am 17.4 geht es um Widerstand, Beleidigung und „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“.

Schadensersatzklage gegen AntimilitaristInnen am 1.März
Darüber hinaus wird auch wieder in der eigentliche Hauptsache um die Gleisblockade gegen einen Militärtransport verhandelt. Am 1.3. um 9:00 entscheidet das Amtsgericht Husum über die Schadensersatzklage des Konzerns Veolia bzgl. Schadensersatz für Schienenersatzverkehr.

Außerdem empfehlenswert: Ein Hintergrundartikel zur „Gewalt“-Kampagne der Polizeigewerkschaften

 

 

 

 

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