Ein Fernsehteam vom Planeten Mars machte sich in der Flensburger Innenstadt auf die Suche nach kompetenten Interviewpartner_innen zum Thema Militarismus und Bundeswehr. Im Besonderen gingen sie der Frage nach, wie denn die Bewohner_innen der Küstenstadt zur Äußerung des Kriegsministers stünden, Deutschland führe Wirtschaftskriege und das sei auch gut so. Ernüchtert musste die Moderation feststellen, dass viele Menschen von diesen Äußerungen nichts mitbekommen hatten. Konkret darauf angesprochen, was sie denn nun dazu sagen würden, verneinten die allermeisten Menschen jedoch zumindest persönliche Begeisterung für Wirtschaftskriege. Sonderbar war auch, dass die Erdlinge ständig auf sog. Verantwortliche verweisen. Die Befragung dieser ergab: Pazifismus bedeutet nicht, gegen jeden Krieg zu sein und mit Kunduz hatte die Bundeswehr nichts zu tun.
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„Wir haben keinen Kriegsminister, nur einen Verteidigungsminister?“
Während der Interviews verwiesen auffällig viele Erdlinge auf einen alleine stehenden Sonderling in merkwürdig blauen Klamotten und sonderbar altmodischer Mütze, der offensichtlich mit einer Spendendose ausgestattet, Geld zur Unterstützung eines „Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge“ sammelte. Der freundliche Militärangehörige erklärte, Wirtschaftskriege seien gar keine Kriege sondern mehr so etwas wie Diskussionen um Rohstoffpreise. Auf das Massaker von Kunduz angesprochen und ob das so die Art von humanitären Diskussionen sei, an die er da denke, verneinte er schlicht jede deutsche Beteiligung daran. „Damit hatte die Bundeswehr nichts zu tun!“ Und außerdem: „Wir haben keinen Kriegsminister, nur einen Verteidigungsminister.“
Militäreinsätze trotz pazifistischer Grundwerte?
Auf der Suche nach weiteren Kompetenzwundern wie diesem ersten, traf das Journalist_innenteam vom Mars auf einen Wahlwerbestand der Grünen. In Flensburg läuft anscheinend gerade ein „Bürgermeisterwahl“ genanntes Akzeptanzbeschaffungsspektakel für Herrschaft. Dafür scheint es wichtig zu sein, dass die sog. Kandidaten in der Fußgängerzone stehen, bunte Poster mit großen Bildern ohne Inhalt aufstellen, und genauso inhaltsleere Flyer mit vielen bunten Bildern verteilen. Doch die Hoffnung, endlich kompetente Interviewpartner_Innen zu finden, wurde erneut enttäuscht. Zur Vorbereitung des Interviews suchte die Redaktion auf dem Mars schnell in Echtzeit ein Parteiprogramm der Grünen heraus. Aus Zeitgründen musste eins von 1998 reichen… und dort findet sich auch das Bekenntnis der Partei zum Pazifismus (*1) „Militärische Friedenserzwingung und Kampfeinsätze lehnen wir ab“. Gleichzeitig ergab die Recherche aber ein für die Marsbewohner_innen verstörendes Moment: Bereits ein Jahr später ließ eine Regierung der Grünen Partei ein anderes Land bombardieren. Auf diesen Umstand angesprochen, erklärte der interviewte Herr von der Grünen Partei dem staunenden Moderator, dass Pazifismus nicht bedeute, gegen Krieg zu sein: „Pazifistische Grundwerte bedeuten ja nun nicht, gegen jeden Militäreinsatz zu sein!“ Und dass außerdem Parteiprogramme ohnehin nicht unbedingt etwas mit der Politik einer Partei zu haben müssten. Warum er selber, wo er doch gegen Krieg sei, nun Werbung für eine Partei mache, die Krieg nicht ablehne, konnte leider nicht erklärt werden.
„Die Großen lässt man laufen, und die Kleinen werden gehängt!“
Auffällig war die Tatsache, dass die meisten befragten Erdlinge sich ablehnend zu den Kriegsbeteiligungen ihres Militärs äußerten. Deshalb sorgte es auch für Verwirrung, als das Mars-TV-Team ihnen ein Hologramm eines durch die Redaktion abgefangenen Flugblattes zeigte, das darauf hinweist, dass am Mittwoch, 17.11. und Freitag, 19.11. eine junge Frau vor dem Landgericht verurteilt werden soll, weil sie genau diese Position vertrat. Um ihren Protest zu verdeutlichen, hatte sie sich 2008 vor einem Militärtransport an die Gleise gekettet. Und dies scheint laut Erdengesetzen verboten zu sein, auch wenn keiner der Interviewten das irgendwie schlimm fand. Sie reagierten auf diese Info u.a. mit sonderbaren Aussprüchen wie: „Mal wieder typisch: Die Großen lässt man laufen, und die Kleinen werden gehängt!“. Wer den Sinn dieses Codes dechiffrieren kann, möge sich bitte für den nächsten Sendetermin am Mittwoch, 17.11. ab 9:00 Uhr am Landgericht Flensburg einfinden…
(*1) Quelle:
Programm zur Bundestagswahl 98 „Grün ist der Wechsel“Bündnis 90/Die Grünen, 1998, Seite 135: „Militärische Friedenserzwingung und Kampfeinsätze lehnen wir ab“.
Grün wirkt. Unser Wahlprogramm 2002-2006, Bündnis 90/Die Grünen, Präambel, Seite 7: „ Wir verbinden Ökologie, Selbstbestimmung, erweiterte Gerechtigkeit und lebendige Demokratie. Mit gleicher Intensität treten wir ein für Gewaltfreiheit und Menschenrechte“. (Zitiert aus: „Herrschaftskritik“, Seitenhieb-Verlag 2010. Der Autor kommentiert dort: „In Bezug auf Gewaltfreiheit ließe sich mit etwas Zynismus aus der Floskel „mit gleicher Intensität“ ableiten, dass die Grünen alle ihre Ziele mit gar keiner Intensität vertreten.“ S. 162)