Am 17.2. findet am  Landgericht Flensburg ein Zivilverfahren gegen die Antimilitaristin  Hanna Poddig statt. Wegen ihrer Beteiligung an einer Protestaktion gegen  die Bundeswehr im Februar 2008 fordert die Bahn 14.000 Euro von ihr.  Ein Militärtransport der Bundeswehr verzögerte sich damals um 243  Minuten. Das soll nun nicht ungestraft bleiben. Die Chancen für ein  faires Verfahren für die Aktivistin stehen schlecht. Zu deutlich ist der  enge Zusammenhang zwischen Armee und Justiz und ihrer Funktion bei der  Durchsetzung von Herrschaft im Landgericht Flensburg sichtbar, als dass  die Illusion von unabhängigen Gerichten überhaupt erst entstünde.
Prozesse gegen Antimilitaristin am Flensburger Gericht
Am  Mittwoch, den 17.2. um 14:00 findet im Landgericht Flensburg ein  Zivilprozess gegen die Antimilitaristin Hanna Poddig statt. Die Bahn  behauptet, dass eine Reparatur am Gleis im Wert von 14.000 Euro  notwendig gewesen und von der Aktivistin verursacht worden sei. Frau  Poddigs Anwalt zieht diese Darstellung in Zweifel. Die Angeklagte freut  sich über Unterstützung aller Art. So fand in den letzten Tagen  Straßentheater und Flugblattverteilen statt. Außerdem organisierten  Unterstützerinnen und die Angeklagte eine Lesung im Infoladen Subtilus.  Dass AntimilitaristInnen nichts Gutes am Landgericht zu erwarten haben,  zeigte Richter Weis bereits in der Vorphase des Prozesses. So lehnte  dieser einen im Zivilverfahren üblichen Antrag auf Prozesskostenhilfe  ab, da seiner Meinung nach für die Angeklagte keine Aussicht auf Erfolg  bestünde. Dieser die Obrigkeit schützenden Geist, der gegen  Oppositionelle wie Hanna massiv vorgeht, hat im Flensburger Gericht ein  lange Tradition.
Der Blick schweift über das Treppenhaus des Amtsgericht. Hinter der  Pickelhaube prangt der Reichsadler. In Uniform und überlebensgroß steht  Wilhelm der II. im Altbau des Amtsgerichtes. Er befindet sich in guter  Gesellschaft. In den Stockwerken unter ihm wird den am Vernichtungskrieg  von 1939-45 beteiligten Justizangestellten und Anwälten aus Flensburg  gedacht, die ihre Verstrickungen in die nationalsozialistischen  Verbrechen mit dem Leben bezahlten. Ein Stockwerk tiefer hängen auch die  Gedenkplatten für die beim gescheiterten imperialistischen  Welteroberungsversuch von 1914-1918 gestorbenen Justizangestellten und  Anwälte aus Flensburg.
Selbstverständlich fehlen an all diesen  Symbolen jegliche Kommentierungen oder kritische zeithistorische  Hinweise. Dabei zeigen diese deutlich den untrennbaren Zusammenhang von  Justiz, Militär und Nation als Durchsetzungsmittel von Herrschaft.
Durchsetzung der preußischen Herrschaft durch die Justiz
Dass  Flensburg zu Deutschland definiert wird, ist noch nicht sehr lange  „selbstverständlich“. Das heutige Bundesland Schleswig-Holstein (außer  Herzogtum Lauenburg, dafür mit Altona und Wandsbek) standen bis 1864  unter der Souveränität der dänischen Krone. Dies ändert sich damit auch  für Flensburg erst 1864 nach dem deutsch-dänischen Krieg, in dem Preußen  die Herrschaft über den Landesteil Schleswig (und damit auch Flensburg)  erobert. Sofort setzt eine rege Bautätigkeit ein. Fast alle  Amtsgerichte in Schleswig-Holstein stammen aus dieser Zeit. Zur  Durchdringung der von einer starken dänischen und friesischen Minderheit  bewohnten Grenzprovinz war die Etablierung einer national-preußischen  Justiz, die die Interessen der herrschenden preußischen Eliten  durchsetzte, unerlässlich.
Der angebliche Reichsgründer Wilhelm in Uniform.
In  diesem Kontext ist auch das Flensburger Gericht zu sehen. Als Ausdruck,  wessen Gerechtigkeit hier herrscht, findet sich die uniformierte Figur  mit der preußischen Pickelhaube unter dem Dach des Amtsgerichtes. Wie  alle Symbole dient diese Figur als Inszenierung dessen, was  gesellschaftlich als „gut“ und „wünschenswert“ dargestellt werden soll.  Völlig offen tritt mit der Uniform und der Pickelhaube zu Tage, dass  jene bis heute vielfach als positiv empfundene „Reichsgründung“ mit  Feuer und Schwert durch uniformierte staatlich bezahlte Gewalttäter im  angeblich friedenschaffenden Auslandseinsatz mit vielen Toten  herbeigeschossen wurde. Selbstverständlich geschah dies gegen den Willen  vieler Betroffenen. Den Unmut dieser zu unterdrücken war unter anderem  auch die Aufgabe der Justiz in Flensburg. So war z.B. das Verwenden der  dänischen Fahne bis in die Zeit der Weimarer Republik verboten. Den  damit verbundenen Herrschaftsanspruch setzten u.a. die im  imperialistischen Welteroberungsversuch von 1914-18 gestorbenen  Justiziare durch. Die als historisch inszenierte Zurschaustellung alter  Reichsgründungssymbole thematisiert nicht, dass eben diese nur durch  Militarismus, Krieg und eine gegen Oppositionelle vorgehende Justiz  möglich war.
Keine Kritik an 1939-45?
Auch  die Gedenktafel für die von 1939-45 gestorbenen Hitler-Helfer ist  entlarvend. Es gibt weder eine kritische Einordnung, noch wird irgendwo  den in der NS-Zeit verurteilten Personen gedacht. Dies ist kein Wunder.  Kein Richter aus der Nazizeit wurde für seine Urteile und die damit  einhergehende Unterstützung der Herrschaft der Nationalsozialisten in  späteren Jahren belangt. Im Gegenteil: Die Richter, die in Flensburg zur  Durchsetzung des nationalsozialistischen Herrschaftsanspruchs Menschen  in vielen Fällen zu schlimmen Strafen verurteilten, konnten nach 1945  unbehelligt weiter in der Urteilsfabrik „Gericht“ ihr Unwesen treiben.  Mit Ausnahme natürlich derer, deren Namen bis heute auf den Gedenktafeln  stehen.
Foltererschutz durch die Staatsanwaltschaft auch im demokratischen Regime
Auch  heute weht noch durch die Hallen am Südergraben ein unsäglich  autoritärer Geist zur Durchsetzung des Herrschaftsanspruches des  demokratischen Regimes. Dies beweist das Beispiel des dort für  politische Strafsachen tätigen Staatsanwaltes Joachim Berns. Dieser  stellte beispielsweise 2002 ein Verfahren gegen zwei Westerländer  Polizisten ein. SEK-Beamte aus Eutin hatten diese angezeigt, weil sie  gesehen hatten, wie die beiden nordfriesischen Polizisten Verdächtige  u.a. getreten hatten, um Aussagen zu erpressen. Berns stellte trotz  Geständnissen das Verfahren wegen „geringer Schuld“ gegen eine Spende  von 500 Euro ein. Dass Berns nicht nur einfach ein Gutmensch ist,  sondern ein politisch motiviert handelnder Uniform-und Elitenschützer  ist, zeigt sich an einem anderen Beispiel. 2008 stoppte eine kleine  Gruppe von Aktivist_innen in der Nähe von Husum einen Materialtransport  der deutschen Militärs für die Nato-Response-Force, um gegen die  Bundeswehr zu protestieren. Der Anwalt der Aktivistin Hanna Poddig  schrieb daraufhin an Staatsanwaltschaft und Gericht, ob es in Anbetracht  der bisherigen Unbescholtenheit und der prekären finanziellen Lage  seiner Mandantin nicht möglich sei, das Verfahren einzustellen. In  Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei der Aktion nicht um ein  Verbrechen im eigentlichen Sinnen, sondern um eine Demonstration  gehandelt habe, sei es angebracht, die Geschichte mit „Einstellung wegen  geringer Schuld“ und 500 Euro Spende aus der Welt zu schaffen.
Die Stellungnahme von Staatsanwalt Berns zu den Ausführungen des  Anwaltes ist entlarvend: In keiner Weise sei von geringer Schuld zu  sprechen, da für die Aktion enorme „kriminelle Energie“ notwendig  gewesen sei. Es zeigt sich sehr deutlich: Willhelms obrigkeitshöriger  Geist schützt bis heute die Uniformierten vor Kritik, während die  Kritiker bestraft werden sollen. Dabei ist Staatsanwalt Berns leider  kein Einzelfall. Staatsanwaltschaften schaffen es regelmäßig,  Strafverfahren gegen PolizistInnen und andere Elitenangehörige  geräuschlos aus der Welt zu schaffen. Uniformierte können sich darauf  verlassen, dass ihnen vor Gericht mehr geglaubt wird, als anderen  Menschen. Deshalb z.B. funktioniert der Widerstandsparagraph so gut: Es  kommt regelmäßig vor, dass PolizistInnen illegal Leute verprügeln (nicht  das dies besser wäre, wenn dies legal geschieht). Wehren sich die Opfer  der uniformierten Gewalttäter nun mit Anzeigen, behaupten die Cops  einfach, die Opfer hätten angefangen… Staatsanwaltschafen verfolgen  nun regelmäßig die Opfer der Gewalt, anstatt gegegn die TäterInnen  vorzugehen.
 
								 
