Am letzten Samstag, 17.6.2006 fand in Husum ein Auftritt der Bundeswehr-Bigband statt. Die Innenstadt war im Ausnahmezustand, eine friedliche Polittheatergruppe verhaftet, und mehrere Menschen als angebliche “Störer” mit Platzverweisen belegt.
“Der Marktplatz wird deshalb kein militärischer Sicherheitsbereich“, scherzt Oberst Axel Schmidt” noch im März in einem Bericht der Husumer Nachrichten über das bevorstehende Event. Doch am Samstag sahen sich alle Skeptiker bestätigt: Die Großstraße war für den Straßenverkehr gesperrt, und wurde von Soldaten überwacht. Im gesamten Innenstadtbereich hatte die Bundeswehr das Hausrecht erhalten, und unterband weiträumig mit Hilfe der Polizei das Ausüben von Grundrechten wie der Pressefreiheit (Fotos nur mit Einverständnis), der Meinungsfreiheit (bereits für stumpfes Nörgeln bekam eine Person einen Platzverweis), der Kunstfreiheit und Flugblätter verteilen war auch verboten. Damit zweigt sich sehr deutlich, was die Vertreter der Bundeswehr bei einer Rede im Rathaus nach den Farbanschlägen meinten, als sie davon sprachen, das die Demokratie verteidigt werden müsste.
Spannend ist auch, das die Kreisverwaltung noch am Mittwoch in der HN anlässlich eines gefälschtem Schreibens sämtliche Sondermaßnahmen dementierten. Mit der Übertragung des “Hausrechts” der gesamten Innenstadt auf die Bundeswehr haben die Verantwortlichen das gefälschte Schreiben offensichtlich nachträglich war gemacht. Was heute noch Satire war, kann leider morgen schon war sein. Dies zeigt, wie krass autoritär die Verhältnisse bereits sind, wenn es nur ein Schritt vom “Scherz” des Oberst zum Ausnahmezustand ist.
Gewaltfrei agierende AktivistInnen verhaftet
Den Höhepunkt des Tages bot sicherlich die Verhaftung der Theatergruppe. Dazu die Pressemitteilung:
Betreff: Brutale Verhaftung in Husum anlässlich des Auftritts der Bundeswehr-Bigband.
Gestern, am 17.6.2006 gegen 15:00 Uhr wurden drei Friedensaktivisten aus Husum in der Krämerstraße vor CJ-Schmidt wegen eines Straßentheaters von Polizisten der Husumer Wache brutal verhaftet. Die drei hatten versucht, ein Stück namens Mars-TV aufzuführen. Dabei handelt es sich um folgende Story: Auf dem Mars sind Armeen und Kriege seit über 100.000 Jahren abgeschafft. Deswegen können die Marsianer nicht verstehen, warum die Erdenmenschen diese Einrichtungen immer noch für sinnvoll halten, und entsenden ein Fernsehteam zu Erde, um Menschen zu fragen, wie das mit der Bundeswehr so funktioniert.
Doch in Husum war ihr gestriger Empfang eher unfreundlich. Nach nur etwa drei Minuten Sendezeit wurden die Aktivisten ohne Ansprache, Platzverweis oder ähnlichem brutal verhaftet (zwei Aktivistis wurden beide Arme brutal auf dem Rücken verdreht, und wurden so kopfüber Richtung Marktplatz geschleppt. Dort stand ein Polizeibus bereit, um sie zur Wachen in der Poggenburgstrasse zu bringen. Hier wurden die Aktivistis etwa eine halbe Stunde festgehalten, bevor sie mit einen „totalen Innenstadtverbot“ und der Drohung, falls sie sich nicht daran halten sollten, eingesperrt zu werden, wieder entlassen.
Platzverweise gegen Meinungsäußerung
Zu einer weiteren Protestaktion kam es gegen Abend, als einige Aktivistis mit einem Megaphon versuchten, die Veranstaltung zu stören. Diese Demonstration konnte jedoch auch von der Polizei abgedrängt werden. Offensichtlich hat die (für Husum) sehr große Demonstration (ca. 300 Leute, die meisten alternativ/jugendlich) gegen die Abschiebung der Familie Makitu und die vorherigen Aktionen gegen die AbschiebungAktionen gegen die Abschiebung dazu die Nerven der Verantwortlichen überstrapaziert.
Berufsverbot
Was Oberst Schmidt meinte, als er bei der Ausstellungseröffnung von einem „Zusammenleben, das geprägt ist von gegenseitiger Achtung und Toleranz im Umgang miteinander“ sprach , bewies noch am selben Tag der Verantwortliche der Propagandaveranstaltung Ralf Hessmann. Hessmann ist angestellt bei der Bundeswehr in Husum und gleichzeitig Kommunalpolitiker in Nordfriesland, wo er z.B. bei der letzten Bundestagswahl im hiesigen Wahlkreis vergeblich um ein Direktmandat für die SPD warb (er verlor gegen Ingbert Liebig, CDU. Dessen Unterschrift wählten die AuthorInnen des gefälschten Schreibens). Hessmann ist allerdings Bürgermeister in Hattstedt, einem Dorf nördlich von Husum. In dieser Gemeinde arbeit einer der verhafteten Friedensaktivisten als Jugendbetreuer. Am Sonntag sprach Hessmann diesem ein Hausverbot für den Jugendtreff aus, und untersagte dem Aktivisten damit, seiner Arbeit nachzugehen. Offensichtlich möchte Hessmann sein eigenmächtiges Vorgehen tarnen, denn dem Aktivisten wurde nahegelegt, das er es doch „Resturlaub“ bis zu seinem regulärem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Ende Juni nehmen könne.
Repression gegen soziokulturelles Zentrum
Anscheinend stehen die Verantwortlichen der Polizei unter massiven politischen Druck, Täter zu präsentieren. Im Zielfokus steht hierbei offenbar die Jugendgruppe des Speichers (www.speicher-husum.de). Der Speicher ist ein sog. Sozikulturelles Zentrum, und wird von vielen Bürgern der Stadt für z.T. ehrenamtliche Veranstaltungen genutzt. Die Jugendgruppe organisiert u.a. Punkkonzerte und ein sog. „Infocafe“. Ein Programmpunkt der letzten Woche war die Infoveranstaltung „Wozu Bundeswehr“, wo über Alternativen zum Wehrdienst informiert wurde, u.a. in Verbindung mit den FÖJ-Freiwilligen des Nationalparkamtes, die über ihre Stellen informierten. Zudem stammen die verhafteten Aktivistis vom Mars aus dem Umfeld der Speicherjugendgruppe. Dies nimmt die Polizei zum Anlass, in Gesprächen mit den Speicher-Verantwortlichen zu unterstellen, das die Jugendgruppe für die begangenen Straftaten verantwortlich sei und kommuniziert dies auch so mindestens Mitgliedern der CDU und Verantwortlichen der Bundeswehr. Zum einen ist dies Rufmord, und zum zweiten scheinen Gegner des Kulturzentrum Speichers hier eine Chance zu sehen, den Speicher in Misskredit zu bringen, indem der Speicher gezielt mit Straftaten in Verbindung gebracht wird.
Bilder vom stummen Protest rund um den Marktplatz, der nicht verhindert werden konnte:
Verändertes Werbeplakat der BigBand
Ergänzung zur Bundeswehr in Telefonzellen
Aufkleber auf den Mülleimern um den BW-Infotruck
Graffitti in der Innestadt