Erklärung von Jan-Patrick zur Totalverweigerung

Ab dem ersten Oktober befinde ich mich in Strausberg, zwischen Berlin und der deutsch-polnischen Grenze. Dort soll ich dann meinen Grundwehrdienst antreten. Dass ich die Kaserne dann allerdings nicht als fügsamer Soldat betreten werde, werden die Bundeswehrbediensteten erst kurz darauf erfahren, wenn sich die erste Gelegenheit bietet einen Befehl zu verweigern. Dann werde ich klarstellen, dass ich als Totalverweigerer nach Strausberg gefahren bin.
Wie genau es vor Ort ablaufen wird, lässt sich nur erahnen. Sicher ist eigentlich nur, dass dort eine Arrestzelle auf mich wartet. Wie oft und wie lang ich jeweils eingesperrt werde, lässt sich ebenfalls nur vermuten, allerdings führt wohl kein Weg um die Höchststrafe von 21 Tagen Arrest herum. Der erste Arrest wird wahrscheinlich noch deutlich kürzer ausfallen, allerdings kann es schon beim zweiten zu den vollen 21 Tagen kommen.

Als der Einberufungsbescheid bei mir ankam, musste ich lange überlegen was ich nun machen würde. Klar, Wehrdienst und Deutschland im Ernstfall verteidigen kam auf keinen Fall in Frage. Da blieb also nicht mehr viel. Auf der einen Seite stand die Option „Zivildienst“. Einfach ein paar Seiten argumentieren und abwarten (die meisten kommen ja ohne Probleme durch) und dann halt hoffen eine gute Stelle zu finden um neun Monate den Kram zu ertragen.
Auf der anderen Seite war dann die „totale Kriegsdienstverweigerung“. Viel Arbeit für mich und andere, der Arrest und letztlich viel Ärger (wahrscheinlich vor allem finanziell).
So grob betrachtet fällt jedem die Entscheidung ziemlich leicht, dennoch habe ich mich für die Totalverweigerung entscheiden. Nachfolgende (stark verkürzte/vereinfachte) Argumentation spielt dabei eine wichtige Rolle.

Konsequente linkradikale Politik muss auch immer gegen das Konstrukt „Staat“ gerichtet sein. Moderne Staaten entstanden erst mit dem Kapitalismus und der schleichenden Industrialisierung. Wachsende Industrien einhergehend mit Gewinnabsichten erfordern ein hohes Maß an Organisation, dass durch diese modernen Staaten geschaffen wurde. Heute sorgt der Staat mit seinem Rechtssystem dafür, dass nichts passiert, was nicht so gewollt ist. Damit dies auch so bleibt liegt das Gewaltmonopol eben auch beim Staat. Die ArbeiterInnen, die meinen zu wenig zu bekommen, müssen eben in den dargebotenen Grenzen bleiben, die nicht mehr als das „bisschen Streik“ vorsehen. Andererseits verbietet er aber auch Ausbeutung, weil ansonsten die Masse der ArbeiterInnen aufbegehren könnte. Die meisten ArbeiterInnen finden sich mit der Situation ab, denn sie sind ja „relativ frei“ und die Unternehmen machen immer noch genug Gewinn, sodass diese sich nicht beschweren.
Damit sorgt der Staat für das Weiterbestehen des Kapitalismus (der ihn erst nötig gemacht hat).
Nach außen hin sind Staaten (oder mittlerweile Staatenverbände) durch Grenzen verschlossen um zu vermeiden, dass Einflüsse oder Menschen hinein getragen werden könnten, die der Existenz des Staates schaden. Um diese Grenzen zu rechtfertigen wurden Konstrukte wie „Rasse“ oder „Nation“ geschaffen…

Im Wehrdienst wird man dazu ausgebildet diese Grenzen im sogenannten „Gesamtverteidigungsfall“ zu verteidigen. Neben den Grenzen des deutschen Staates gilt dies auch für die Verteidigung der NATO.
Wozu braucht es aber Menschen, die den Zivildienst ableisten?
Auch für diese Menschen ist in den „Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung“ (RRGV) eine Verwendung vorgesehen. So gehört zu den Aufgaben der „zivilen Verteidigung“ u.a. die Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktion und die Unterstützung der Streitkräfte bei der Herstellung und Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit und Operationsfreiheit.
Das bedeutet nichts anderes als die Maschine am Laufen zu halten, die wir sonst versuchen zu bekämpfen.

Folgerichtig bleibt für radikale Linke eigentlich nur eine konsequente Möglichkeit: Die Totalverweigerung!

Wie genau es mir in der Arrestzelle ergehen wird, kann ich kaum abschätzen. Allerdings kann ich mit Sicherheit sagen, dass es todlangweilig sein wird.
Deshalb:

Schreibt mir Briefe und schickt Pakete!

Bis bald in Freiheit

Pogo (Jan-Patrick)

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