Polizei fühlt sich von „entblößtem Gesäß“ verarscht

Wir dokumentieren hier einen Brief solidarischer Antimilitarist_innen an die Presse:

Liebe Pressevertreterinnen und Pressvertreter,

wir wenden uns heute mit diesem persönlichen Anschreiben an Sie, weil uns für unser Anliegen schlicht keine angemessene Form der Darstellung eingefallen ist. Worum es geht? Um etwas so skurriles, dass es uns vermutlich einige nicht glauben werden:
Es geht um einen Anarchisten, der vor Gericht steht, weil er die Polizei verarscht hat. „Was meinen die jetzt mit verarscht?“, fragen Sie sich. Naja, wir meinen das wörtlich. Er hat seine Hose ausgezogen und mit seinem Arsch einen Stein berührt auf dem „Polizei“ steht. Da fängt das Problem ja schon an: Jetzt haben wir „Arsch“ geschrieben, was in einer seriösen Pressemitteilung nichts zu suchen hätte. Aber ehrlich, „entblößtes Gesäß“ wie sich das Gericht im erlassenen Strafbefehl ausdrückt, klingt doch nun wirklich weltfremd.

Ja, wirklich, das Amtsgericht in Schleswig hat einen Strafbefehl deswegen erlassen. Die verstehen wirklich keinen Spaß. In absehbarer Zeit wird es deswegen also zu einer Verhandlung kommen, denn gegen den Strafbefehl wurde Einspruch eingelegt.

Klar, bei Ihnen gehen unzählige Pressemitteilungen und Meldungen ein und wir hätten eine eben solche verfassen können. So eine bei der im ersten fett gedruckten Absatz schon alles steht und Sie den Text mit Copy-Paste übernehmen können, wenn Sie sich entscheiden sollten zu berichten. Aber wie hätte das aussehen können?

Die brave Variante:
„Wir sind erschüttert, mit welch hohem Verfolgungsinteresse die Schleswiger Ermittlungsbehörden gegen einen jungen Mann vorgehen, der seine Wut über polizeiliche Misshandlungen herausließ, indem er seine Hose runterließ und mit entblößtem Gesäß über einen Stein wischte, auf dem neben dem Schriftzug „Polizei“ auch das Landeswappen des Landes Schleswig-Holstein eingemeißelt war. Angesichts der zuvor in Gewahrsam erlittenen Polizeiwillkür erscheint es uns unverhältnismäßig, dieses Verhalten strafrechtlich zu verfolgen.“

Klar, das stimmt alles so, aber, ganz ehrlich, klingt es bei den meisten von uns doch eher so:
„Einen Strafbefehl wegen „Verunglimpfung des Staates“ zu bekommen begreifen wir als Lob. Einem Staat Geringschätzung entgegenzubringen, in dem es beispielsweise verboten ist, die Nationalflagge als schwarz-rot-gelb zu bezeichnen, der Kriege führt, Atomkraftwerke betreibt und Menschen einsperrt, erscheint uns logisch, wenn nicht sogar notwendig.“

Und jetzt geht in unserem Hinterkopf die Warnleuchte an: Dürfen wir das überhaupt schreiben? Ist das noch von der sogenannten „Meinungsfreiheit“ gedeckt oder schon wieder in sich eine Straftat? Als hätten wir nicht schon genug mit Gerichten zu tun. Immerhin ist diese ganze Auseinandersetzung ja auch im Rahmen eines Gerichtsprozesses geschehen. Weil die Bahn Schadenersatz fordert von einer Aktivistin, die mit einer Ankettaktion 2008 einen Militärtransport aufgehalten hat. Sie stand in Schleswig vor Gericht und wir waren auch dort, um sie solidarisch zu unterstützen. Nur wurde ein Teil von uns einfach nicht reingelassen. Unddas obwohl der Prozess doch öffentlich sein sollte. Stattdessen wurden die Leute dann aus dem Gebäude geworfen und auf die Polizeiwache verschleppt. Und das dann Folgende kennen Sie ja schon…

Sollte der Fall Sie amüsieren, finden Sie weitere Informationen auf unserer Homepage. Sollten Sie sich für den Fall darüber hinaus interessieren, freuen wir uns über Rückfragen.

Der Brief als pdf findet sich hier: presseanschreiben

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